Glasgow in den 1990ern

Die schottische Großstadt hatte sich ab dem 18. Jahrhundert zu einer bedeutenden und reichen Industriestadt entwickelt. Nicht zuletzt aufgrund seiner Lage am Fluss Clyde und dem damit schiffbaren Zugang zum Atlantik sowie den reichen Kohlevorräten der Umgebung konnten zahlreiche Schiffswerften, Eisenbahnfabriken, Textil- und andere Industrien florieren. Das zog viele Menschen an, die auf der Suche nach Arbeit und einem besseren Leben waren. Die Bevölkerungsdichte war zeitweise die höchste im ganzen Königreich.

Doch nach dem 2. Weltkrieg, spätestens ab den 1960er Jahren, ging es wirtschaftlich bergab. Viele Werften mussten schließen, Industriebetriebe stellten den Betrieb ein oder siedelten ab. Die zahlreichen Arbeiter aber blieben. Damit kam es auch zu einem sozialen Niedergang, v.a. in den Arbeiterbezirken der Stadt. Massenarbeitsosigkeit, Armut, Verelendung, Alkoholismus, Gewalt, Kriminalität und struktureller Verfall nahmen stark zu, die betroffenen Menschen hatten keine Perspektive mehr. Auch wenn ab den 1990er Jahren die Bemühungen und Investitionen zunahmen um diesen Zustand zu verbessern wirkten die Folgen noch lange nach. Noch zu Beginn der 2000er Jahre lag die Lebenserwartung für Männer in Glasgow im Durchschnitt bei 53 Jahren. Ein Kapitel für sich, auch bekannt als „Glasgow Effekt“.

Vor diesem Hintergrund ist die Handlung eines Buches angesiedelt, das ich gestern zu Ende gelesen habe. Es hat großen Eindruck bei mir hinterlassen und mich auch erst auf die zuvor geschilderten Geschichte der Stadt aufmerksam gemacht.

Dieses Cover entspricht nicht dem der deutschsprachigen Ausgabe, gefällt mit aber besser.

Es ist die Geschichte eines fast 16 jährigen Jugendlichen, der in den 1990ern als Halbwaise in Glasgow East End lebt und mit all dem konfrontiert ist. Mutter selbstsüchtige Alkoholikerin, älterer Bruder gewalttätiger Anführer eine Jungendgang. Mungo, von seiner Mutter nach dem Schutzpatron der Stadt benannt, ist ein hübscher, sensibler, friedlicher, sanftmütiger Charakter und passt so gar nicht in seine harte Umgebung. Er soll ein Mann und ja kein Weichei werden, das wird ihm immer gesagt. Er soll kämpfen und seinem protestantischen Bruder beim Kampf gegen die katholischen Gangs beistehen.

Einzig zu seiner Schwester Jodie hat er einen gewissen emotionalen Kontakt, seine Mutter kann seine liebevolle Zuneigung nicht erwiedern; dabei sehnt sich der Junge sehr nach Zärtlichkeit und Nähe. Doch dann lernt Mungo eine Jungen aus der Nachbarschaft kennen. James betreut liebevoll die Tauben in seinem Taubenschlag, den ihm sein Vater eingerichtet hat. Die Mutter ist gestorben, der Vater ist regelmäßig lange weg von zu Hause, er arbeitet auf einer Ölbohrinsel. James hat also viel Zeit für sich, und zunehmend auch für Mungo.

In kleinen, verschämten Schritten nähern sich die Beiden an, kleine Finger berühren und verschränken sich beiläufg und unkommentiert. Aus angedeuteten Kopfnüssen werden scheue erste Küsse auf den Mund, alles muss aber versteckt und geheim stattfinden. Nichts ist im Umfeld der Jungs schlimmer als als Schwuchtel zu gelten, schwere Prügel oder Schlimmeres, und totale soziale Ächtung wären die Folge. Auch in der Familie ist keine Unterstützung oder Verständnis zu erwarten. Vor allem sein älterer Bruder Hamish setzt Mungo unter Druck ihn und die Gang zu unterstützen, mitzukämpfen, ein harter Mann zu werden. Doch Mungo ist nicht so, er verabscheut die Brutalität der Straße, ist aber eingezwängt zwischen Loyalität, Furcht und Fluchtgedanken.

Die Zeit, in der James Vater weg ist, nutzen die beide zur Annäherung, zur Erkundung ihrer Körper. Finger tasten über spitze Hüftknochen, dünne Arme und zarten Flaum auf blasser Haut. Berührungen, Umarmungen, festgehalten zu werden – wunderschöne Dinge, die Beide sonst von Niemandem bekommen können. Doch dann spitzen sich die Ereignisse zu, die Hoffnung auf Glück und Liebe wird wieder erschüttert. Zusätzlich erzählt wird ein zweiter Handlungsstrang – ein Angelausflug mit zwei Bekannten der Mutter aus der Anonymen Alkoholiker Gruppe. Die schrecklichen Erlebnisse dort zerstören viel von Mungos Kindlichkeit, fordern die ihn ihm versteckte Gewalt heraus, die er seit seiner Kindheit erlebt und erduldet hat. Doch James könnte das wieder heilen, es könnte alles gut werden. James möchte aus Glasgow weggehn, Mungo soll ihn begleiten, gemeinsam könnten sie in einem kleinen Dorf in Ruhe leben.

Mich hat das Buch emotional sehr eingefangen und bewegt, und ich habe dabei auch die eine oder andere Träne verdrückt. Das Spannungsfeld zwischen dem möglichen und auch real Guten und Schönen einerseits und dem gesellschaftlichen und persönlichen Druck andererseits ist enorm. Man möchte den Weg der Hoffnung weiterverfolgt wissen, obwohl die Furcht, dass diese zerschlagen wird, ständiger Begleiter beim Lesen ist; die gefühlte Hilflosigkeit ist grausam. Ich möchte gar nicht mehr viel verraten, aber eine Empfehlung abgeben. Das Buch ist nicht leicht, es ist stellenweies hart, mutet dem Leser oft viel zu, aber es zeigt auch auf so schöne Weise die aufkeimende Liebe zwischen den beiden Jungen, die stärker ist als alle Wiedrigkeiten. Sie können einfach nicht anders.

„Young Mungo“ von Douglas Stuart
Übersetzung Sophie Zeitz
Verlag Hanser Berlin 2023
ISBN-13: 978-3-446-27582-9

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OVNI – l’objet volant non identifié

Ich möchte eine Empfehlung aussprechen. Nämlich die Beschäftigung mit dem Thema UFOs – dem Phänomen der unidentifizierten Flugobjekte. Ein Begriff, der Anfang der 1950er Jahre von der US-Luftwaffe geprägt wurde, um die zuvor entstandene Bezeichnung „Fliegende Untertasse“ für Sichtungen unbekannter Flugobjekte zu ersetzen. Dieses Thema ist bis heute immer wieder präsent, von Popkultur über Verschwörungstheorien bis hin zu kürzlich stattgefundenen US-Kongressanhörungen angeblicher Zeugen.

Meine Empfehlung soll aber in erster Linie unterhalten. Und zwar in Form einer französischen TV-Serie, die 2021 auf Canal+ gestartet ist.

Diese wenig bekannte Serie erzählt die Geschichte eines französischen Raumfahrtingenieurs, der nach dem Scheitern eines Rakentenstarts 1978 zur Organisation GEPAN, die sich mit UFO-Sichtungen der Bevölkerung beschäftigt, strafversetzt wird. Dort muss er sich mit einem kleinen, schrullig-sympathischen Team mit Menschen und ihren Geschichten von vorgeblichen UFO-Sichtungen auseinander setzen.

Ganz so einfach ist das alles aber nicht, geht es doch auch um die öffentlichen Interessen der französischen Raumfahrtagentur CNES, den Glauben an die objektive Wissenschaft und die Probleme in der eigenen Familie zwischen Ex-Ehefrau und den durchaus seltsamen Kindern. Warum dann auch ein rosa Flamingo, geheimnisvolle Zuckerwatte und ein Inuit-Stamm aus Kamschatka eine wichtige Rolle spielen, will ich an dieser Stelle nicht vorweg nehmen.

Herzerwärmend jedenfalls das Spiel der Darsteller. Auch die gelungen liebevolle und detailverliebte Darstellung des 70er Jahre Ambientes und die arglose und durchwegs positive, optimistische Einstellung der Protagonisten ist eine angenehme Abwechslung zu anderen Serien. Eine Portion französische Seltsamkeit rundet das Ganze noch wunderbar ab.

Für mich eine klare Empfehlung. In (deutscher Synchronisation) derzeit nur verfügbar bei Canal+.

Bildquelle und Copyright: Canal+

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Dichlordiphenyltrichlorethan

Beim Entsorgen meiner Bestände an diversen Chemikalien aus meiner Zeit des Hobby-Chemie-Labors bin ich auf ein altes Fläschchen mit dem berühmt-berüchtigten Pestizid DDT gestoßen, in diesem Fall ein Mischpräparat. Noch original verpackt und mit vielem Positiven bedruckt, jedoch mit keinerlei Sicherheits- oder Gefahrenhinweisen.

Soweit ich mich erinnere, stammt es aus dem ehemligen Bestand meines Großvaters. Spritzmittel wurden damals im privaten Obstbau offenbar noch ungeniert eingesetzt, er hatte viele Fläschchen solcher Art. Das gegegständliche Fläschchen wurde laut Etikett von der Firma Eugen Tschapek in Wien 16 erzeugt. Das Familienunternehmen gibt es übrigens, nach Verkauf der Produktion (vermutlich in den 1970er oder 1980er Jahren) unter dem Namen ESOL Jäger in Wien 13 immer noch.

Zu den Fakten: Als Pestizd 1939 entdeckt ist DDT als „Giftig beim Verschlucken und bei Hautkontakt“, „Kann vermutlich Krebs erzeugen“ „Schädigt die Organe“ sowie als „Sehr giftig für Wasserorganismen“ eingestuft. Abgesehen von den langfristigen massiven Schäden in der Tierwelt und deren Nahrungsketten täte ein Warnhinweis also dringend not. Aber soweit war man damals noch nicht, die Folgen des Einsatzes waren nicht bekannt oder wurden nicht ernst genommen. Das Mittel wurde u.a. für die Entlausung und Entwesung von Millionen Soldaten im Zweiten Weltkrieg eingesetzt. Es wurde dabei in Pulverform einfach unter und zwischen die Kleidung gesprüht. Ebenfall zu dieser Zeit wurde es auch massiv zur Malariabekämpfung am pazifischen Kriegsschauplatz verwendet. Jedenfalls waren die Folgen des massenhaften Einsatzes in Land- und Forstwirtschaft massiv schädigend für Tier und auch Mensch. Verboten wurde der Einsatz in den USA Ende 1972, in Österreich erst 1992 (!).

DDT und die Folgen auf Mensch und Tier – Das Buch „Silent Spring“

In diesem Zusammenhang habe ich auch ein passendes Buch aus meinem Bestand wieder in die Hand genommen.

Das 1962 erschienene Buch der Biologin Rachel Carson zeigt auf erschreckende Weise viele Folgen des massiven und großflächigen Einsatzes von DDT in den USA ab den 1950er Jahren auf. Der Verlust nahezu ganzer Singvögelbestände nach dem Einsatz von Sprühflugzeugen ist noch das plakativste Symptom, aber auch viele andere Tiere, vor allem Wasserlebewesen und Insekten, wurde stark geschädigt und fast ausgerottet. Und nicht zuletzt die Aufnahme und Anreicherung in die Nahrungskette sowie das Fettgewebe vieler Tiere hat die Verbreitung und Schädigung stark ausgeweitet.

In zahlreiche Kapiteln gegliedert schildert Carson die Entwicklung und die Hintergründe des Pestizideinsatzes insgesamt ebenso wie die schrecklichen und lang anhaltenden Folgen anhand vieler Beispiele. Ebenso beschrieben wird die aufkommende Gegenwehr der Bevölkerung, was auch einen wichtigen Beitrag zum Entstehen einer Umweltbewegung in den USA geleistet hat.

Das Buch ist jedenfalls zu empfehlen. Die nüchterne Schilderung des haarsträubend großflächigen Einsatzes des Pestizids sowie der schrecklichen Folgen auf die Umwelt hinterlassen ein sehr nachdenkliches Gefühl – was alles für so viele Jahre trotz der offenkundigen Folgen möglich war.

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Spiel gegen das Feuer

Safety first, daher habe ich mir einen Feuerlöscher für das Auto angeschafft. Weg vom klassischen ABC-Pulverlöscher, den ich im Elektrofahrzeug mangels brennbarer Flüssigkeiten eh nicht brauche. Und weil der selbst beim kleinsten Einsatz die größte Verunreinigung mit Löschpulver verursacht. Und gerade für Entstehungbrände hat man ja den Feuerlöscher.

Also ein Wasserlöscher Klasse A mit einem Additiv F-500, das die Oberflächenspannung reduziert und die Brandgase und Flammen besser einkapseln und ersticken soll. Ideal für Kunststoffe, Schaumstoffe, Gummi o.ä. feste Stoffe, wovon in einem Auto reichlich vorhanden sind.

Das Modell mit einem Liter Inhalt sollte reichen und ist auch noch recht kompakt. Aber wohin damit? Die Montage ist schwierig, vorbereitete Plätze gibt es nicht und der Untergrund ist meist nicht ausreichend stabil. Also musste eine kreative Lösung her:

Eine „Spezialkonstruktion“ aus 12mm Multiplex, die an der vorhandenen, stabilen Zurröse im einer Nische im Kofferraum befestigt werden sollte. Darauf sollte dann die Halterung des Feuerlöschers befestigt werden. Nach einer Modellaufnahme mittels Kartonschablone, Zuschnitt, Leim und Schrauben sieht das schon ganz gut aus und passt auch.

Nach ein bisschen Feintuning, schwarzer Farbe und einem Keil ist alles stabil montiert und super ordentlich untergebracht. Und wenn es einmal stört oder der Platz benötigt wird – einfach den Keil rausziehen und abnehmen. Ich bin zufrieden.

Produkt:
https://www.fln-neuruppin.de/index.php?prod=WD%201%20F-500%202PCT%20-30DEGC
Bezugsquelle:

https://www.feuerloescher-welt.de/elektrobraende/neuruppin-1-ltr-wasserloescher-wd-1-f-500-frostsicher-bis-30c.html

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Spuren des Kalten Krieges

Nicht nur der Zweite Weltkrieg hat seine Spuren hinterlassen, auch der Kalte Krieg, der in ideologischem Gegensatz und hegemonialer Konkurenz der beiden großen Machtblöcke seinen Ursprung findet, hat ebenso seine Zeugnisse hinterlassen.

Aufgrund der exponierten Lage des Landes, angrenzend an mehrere Staaten des Warschauer Pakts, und auch geografisch für Angriffe von Ost nach West bzw. von Ost nach Süd als Durchmarschgebiet geeignet, musste man sich schon früh Gedanken über die Möglichkeiten zu Abwehr und Verteidung machen. Erst in den 1970er Jahren wurde unter General Emil Spannocchi das Konzept der Raumverteidigung entwickelt und ab 1978 auch in Kraft gesetzt. Ziel war es, die übermächtigen Angriffskräfte des Warschauer Pakts nicht an der Landesgrenze aufhalten zu wollen, sondern entlang der möglichen Bewegungslinien in so genannten Schlüssel- und Raumsicherungszonen an geeigneten Positionen mehrfach anzugreifen, also zu verzögern und abzunutzen. Erklärtes Ziel war es, dem Angreifer den Preis so hoch wie möglich zu machen, sowohl hinsichtlich materiellen als auch Zeitverlusten, und ihn im Idealfall davon abzuhalten überhaupt durch Österreich zu gehen. Anmerken muss man auch, dass diese Planungen sehr umfänglich, detailliert und ernsthaft waren, auch die Ausstattung und Mannstärke wären hier durchaus wirksam gewesen, dass war damals auch den Truppen des Warschauer Pakts bekannt.

Man sieht in obiger Grafik Hauptstoßrichtungen aus Richtung Ost, die Hauptachsen Ost-West und Ost-Süd sind klar ersichtlich. Daher finden sich auch für beide Achsen Beispiele für vorbereitete Verteidigungspositionen. In beiden Fällen handelt es sich um Sperren, die nicht nur mechanisch wirken sollten, solche wären schnell überwunden gewesen. Militärische Sperren sind immer durch Feuer überwacht, d.h. sobald der Angreifer zum Stehen kommt wird er angegriffen.

Sperre an der L4085 zwischen Bad Sauerbrunn und Neudörfl, Achse Ost-West

Unscheinbar im Wald versteckt befinden sich noch Reste einer Verteidigungsstellung, die der Überwachung eine Sperranlage, einer sog. Stecksperre, diente. Dabei wurden Stahlträger in mehreren Reihen senkrecht in vorbereitete Öffnungen in der Fahrbahn gesteckt. Diese sind nicht mehr vorhanden, aber im zweiten Beispiel kann man sie noch sehen.

Man hat hier eine kleine Bunkeranlage gebaut, vermutlich bestückt mit einer PaK oder rPaK Waffe zur Panzerabwehr. Es gibt auch zwei Einstiege in einen vermutlich unter dem Wall liegenden Raum, ich bin aber mangels Licht nicht abgestiegen. Werde das gelegentlich nachholen, die Neugierde, Sie wissen schon.

Zwei Dinge fallen noch auf. Es gibt eine (verschüttete?) Öffnung nach oben, und auch ist keine Öffnung für die Bewaffnung zu erkennen. Beides lässt sich vielleicht bei einer Begehung des Inneren klären. Der Unterschied in der Oberfläche des Material lässt zumindest vermuten, dass eine Waffenöffnung zugemauert wurde.

Sperre an der B54 bei Seebenstein, Achse Ost-Süd

Die zweite Anlage, eine Stecksperre die noch erkennbar ist, hat mittlerweile schon Seltenheitswert. Viele dieser vorbereiteten Öffnungen wurden über die Jahrzehnte bei Sanierungen der Straßen verschlossen oder entfernt. Bei dieser Sperre gibt es offenbar keine befestigte Verteidigungsstellung, hier waren vermutlich bewegliche (Panzerabwehr)Kräfte eingesetzt, die sich nach einem Angriff rasch abgesetzt hätten.

Derartige Sperren waren früher vielfach auf bedeutenden Bewegungslinien an natürlichen Engstellen, vor Tunnels, o.ä. vorbereitet. Oft lagen die benötigten Stahlträger in Holzkisten gleich daneben, damit die vor Ort eingesetzten Kräft rasch agieren konnten.

Wo keine Stecksperren vorbereitet waren lagen auch oft sog. Panzerigel direkt neben der Fahrbahn um schnell eine mobile Sperre aufbauen zu können und mit beweglich eingesetzten Kräften zu überwachen. Diese Panzerigel sind aber auch schon überall verschwunden, die umfangreichen Bestände sind nun u.a. entlang des Truppenübungsplatzes Großmittel und des Flugfeldes in Wiener Neustadt zu finden.

Quellen:
Alle Fotos vom Autor
Skizze Angriffsplanungen aus „Geländebefahrbarkeit der Schlüsselzone 35“, H. Häusler, 2013

Brutalismus im Burgenland

Schon vor längerer Zeit ist mir eine Aufstellung von Gebäuden im Stil des Brutalismus in Österreich in die Hände gefallen – mit einer erstaunlichen Häufung davon im Burgenland. Eine der Folgen einer engagierten und progressiven Kultur- und Bildungspolitik der Nachkriegsjahre. Das rückständige Burgenland sollte modernisiert, Bildung, Kultur, Architektur, Infrastruktur gefördert und diese – sozialdemokatischen – Errungenschaften der breiten Bevölkerung zugänglich und auch bewußt gemacht werden.

Ich wurde neugierig und wollte einige dieser Bauten besichtigen, hier eine erste Dokumentation dieser Tour durch das Burgenland und seiner nachkriegsmodernen Architektur.

Kulturzentrum Mattersburg (Herwig Udo Graf, 1973-1976)

Krankenhaus Oberwart (Matthias Szauer, Gottfried Flickl, 1971-1988)

Schulgebäude Großwarasdorf (Matthias Szauer, 1968-1972)

Katholische Pfarrkirche Oberwart (Günther Domenig, Eilfried Huth, 1967-1969)

Internat Oberwart (Rudolf Schober, Erwin Christoph, 1977)

Firmengebäude Großwarasdorf (unbekannt)

In den letzten Jahren gab es viele Diskussionen rund um den Erhalt von Bauten diesen Stils aus der Zeit zwischen den 1950er und 1980er Jahren. Viele Gemeinden und Eigentümer sind unzufrieden mit der Zuerkennung des Denkmalschutzes, befürchten hohe Erhaltungs- und Sanierungskosten oder erkennen keine Wert darin. Dennoch muss man bedenken, dass es nicht mehr viele Objekte gibt, vieles wurde ohne Beimessung einer Bedeutung abgerissen. Für mich persönlich aber gelingt es vielen dieser Gebäude, trotzt der Wuchtigkeit und nüchternen Materialität, im Esemble mit den Außenbereichen eine überraschend angenehme und einladende Gesamtwirkung zu entfalten. Diesen Gegensatz zu überbrücken und dennoch äußerst konsequent modern und anders zu bauen macht jedenfalls gute und wertbeständige Architektur aus.

Es gibt jedenfalls noch viele weitere Bauwerke im Burgenland zu entdecken, eine Fortsetzung ist geplant. Eile ist Interessierten aber geboten, das weitere Schicksal etlicher Bauten ist ungewiss. Weitere Infos finden sich nachstehend.

Links / Quellen:
Liste brutalistischer Bauwerke in Österreich
SOS Brutalismus

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Elektromobile Erfahrungen

Nachdem ich nun schon einige Kilometer mit meinem neuen elektrischen Vögelchen absolviert habe, ist es Zeit für ein erstes Resumee. Einige Kilometer, naja… ich habe die maximalen jährlichen Leasingkilometer schon nach sieben Monaten erreicht, aber wenn es so viel Spaß macht was solls 😉

Hier ein bisschen artsy

Vorausgeschickt sei, dass ich schon längere Zeit sehr interessiert am und neugierig auf den Elektroantrieb war. Ich habe also einen durchaus positiven Blick auf die Sache, werde aber versuchen, auch Kritikpunkte nicht zu verschweigen. Für mich persönlich war der Umstieg vom Opel Zafira Superbenziner Baujahr 2007 auf den ID.3 Baujahr 2021 jedenfalls ein Erlebnis. Allein die technischen Fortschritte im „Cockpit“ sind andere Welten, und der Antrieb macht echt viel Spaß. Mich animiert der Elektroantrieb meist zum sehr gemütlichen Fahren, dahingleiten sozusagen, aber wenn man mal überholen möchte, sind die 150 elektrischen kW schon eine ganz andere Liga als die 75 Benziner kW. Kaum steigt man rein, ist man auch schon vorbei :). Aber der Reihe nach:

Reichweite
Für Viele das Wichtigste und auch das meist diskutierte Thema – wie weit komme ich mit der Karre? Natürlich muss man sich auf geringere Reichweiten einstellen, und auch der „Tankvorgang“ dauert länger, alles andere wäre gelogen. Das sollte man schon vor einem Umstieg wissen und akzeptieren bzw. mit dem eigenen Nutzerprofil abgleichen.
Laut WLTP macht der ID.3 mit der 58kWh Batterie zumindest 416km, praxisnahe würde ich sagen im Sommer 300-350km je nach Fahrprofil und Autobahnanteil bzw. Fahrgeschwindigkeit, im Winter 200-250km. Ja, das ist ein großer Unterschied, größer als ich erwartet habe, aber die Akkuchemie und auch die zusätzlichen Verbraucher der Beheizung (Innenraum, Akku) lassen den Winterverbrauch um real um 25-30% steigen, trotz verbauter Wärmepumpe. Und natürlich hat auch die Geschwindigkeit einen großen Einfluss. Die Physik lehrt uns, dass der Luftwiderstand quadratisch mit der Geschwindigkeit steigt, daher macht eine Steigerung von 110 auf 130km/h schon einen großen Unterschied. Gegenwind und Steigungen natürlich ebenso. Ich persönlich fahre auf der Autobahn fast immer 120km/h, darauf basieren auch meine Angaben.

Aufladen
Ich bin gleich zu Anfangs oft einfach losgefahren und habe darauf vertraut, unterwegs eine Lademöglichkeit zu suchen und zu finden. Was auch immer gut geklappt hat, die Anzahl und Verteilung der Ladestationen ist schon so gut, das man fast überall eine Lademöglichkeit in der Nähe hat. Dennoch ist es sinnvoll, vor Fahrtantritt zu checken, ob auf der Strecke und/oder am Ziel Stationen sind, vor allem DC-Schnellader sind noch nicht so häufig wie die AC-Lader mit 11 oder 22kW. Und das ist wesentlich, mit 11kW AC dauert eine Ladung von 20 auf 80% ca. 3,5 Stunden, mit DC 50kW nur rund 40 Minuten. Und es geht auch noch schneller. Wenn der Akku gut vorgewärmt ist lädt er mit bis zu 100kW, das sind dann nur noch gut 20 Minuten für fast voll. Ideal mit einer Kaffee- und Pippipause zu verbinden.
Aber auch hier muss man die Unterschiede zum Verbrenner akzeptieren. Eine lange Strecke fahren, dann schnell tanken und weiter gehts – ist nicht. Beim Elektrischen hat es sich als ideal herausgestellt, alle Lademöglichkeiten zu nutzen, die sich unterwegs bieten, und immer nachzuladen. Viele Stadtzentren, Malls, Geschäfte, Garagen, Wanderparkplätze, usw. haben bereits eine Lademöglichkeit, einfach mal drauf achten. Ein Mal volltanken im Monat und das wars ist aber jedenfalls passé.


Verbrauch und Kosten
Nachdem ich über einen Zeitraum von sieben Monaten die Aufladedaten protokolliert und auch noch Vergleichsdaten vom vorherigen Verbrenner zur Verfügung habe, hier eine kleine Auswertung der Daten:

Zeitraum:Juli 2021 – Jänner 2022Juli 2019 – Jänner 2020
VW ID.3Opel Zafira
Kilometerleistung12.891 km7.990 km
Verbrauch2.294 kWh Strom671,65 l Superbenzin
das entspricht energetisch273,13 l Benzin5.641,86 kWh Strom
Verbrauch je 100 km17,8 kWh/100km8,40 l/100km
Kosten je 100km5,44 EUR/100km10,21 EUR/100km
Kosten Energie0,3059 EUR/kWh1,2157 EUR/l
Umrechnung Energie: 1l Benzin = 8,4 kWh



Die laufenden „Spritkosten“ des elektrischen Fahrzeuges liegen also in etwa bei der Häfte des Benziners. Da auch die erwartbaren Servicekosten geringer ausfallen und die Haftpflichtprämie deutlich billiger ist, sind die Betriebskosten im Vorteil. Allerding ist aufgrund des größeren Anschaffungspreises erst bei höherer Kilometerleistung ein Gesamtkostenvorteil zu erreichen. Interessant zu sehen ist auch, mit wie wenig Benzin man die Energie, die der Elektrische verbraucht hat erreicht, und wie viel Strom man für den Energiebedarf des Benziners aufwenden müsste, Wirkungsgrad 65% vs. 20% sei Dank.
Auch interessant die folgende Betrachtung, wenn man den theoretisch verbrauchten, jeweils anderen Energieträger in Kosten umrechnet:

Theoretische Kosten bei
vertauschen Energieträgern
2,58 EUR/100km
(aus Benzin)
21,58 EUR/100km
(aus Strom)

Und zuletzt, wie weit würde man kommen, wenn man die verbrauchte Energiemenge des Elektrischen im Benziner verbrennen würde, und umgekehrt:

Theoretische Reichweite aus dem
entsprechenden Benzin bzw. Strom
31.700 km
(Elektrischer mit
Benzin-Energie)
3.253 km
(Benziner mit
E-Energie)

Technische Spielereien
Damit auch alle technischen Novitäten des Autos ausgeschöpft werden können habe ich das Ausstattungspaket „Tech“ gewählt, in dem sind alle Assistenzsysteme und technischen Spielereien in der maximalen Ausstattung enthalten. Das sind z.B.
Fahrassistenten:
Das Auto verfügt über die folgenden erweiterten Fahrassistenten:
Spurhalteassistent (Lane Assist): Meldet sich mit Gegenlenken, Lenkradvibration und Einblendung im Headup-Display sobald man die Fahrspur über die Rand- oder Mittelmarkierung zu verlassen droht (standardmäßg immer aktiv).
Automatische Distenzregelung (ACC): Es wird die Tempomatgeschwindigkeit nach Möglichkeit gehalten, bei Annäherung an ein vorausfahrendes Fahrzeug aber mit veränderbarem Abstand angepasst. Funktioniert hinunter bis Stop and Go.
Fahrassistent (Travel Assist): Eine Kombination aus Tempomat, ACC, Spurhalteassistent und Verkehrszeichenerkennung. Das Fahrzeug wird in der Mitte der Spur gehalten, das Lenkrad muss aber in der Hand gehalten werden. Der einstellbare Abstand zum Vordermann wird geschwindigkeitsabhängig eingehalten. Die Geschwindigkeit der jeweils erlaubten angepasst. Wirklich gut au´f der Autobahn, man muss (zumeist) nur noch lenken.
Notbremsassistent (Front Assist): Erkennt bevorstehende Kollisionen mit Fahrzeugen oder Fußgängern, warnt und bremst notfalls automatisch. Löst gelegentlich falsch aus, aber immer nur mit Warnung.


Bedienungshilfen:
Head-Up Display: Einspiegelung von aktuellen Daten zu Geschwindigkeit, Fahrassistent, Navigation usw. in der Frontscheibe im Fahrersichtfeld. Fancy, vor allem die großen Pfeile zur Unterstützung der Navigation sind praktisch.
Dynamisches (Fern)Licht / Matrixlicht: Automatisches Ein-/Ausschalten des Fernlichtes abhängig von Ortsgebiet und Beleuchtungssituation. Abdunkeln von Teilen des Fernlichtkegels bei Gegenverkehr. Automatisches Schalten von Tagfahr- auf Abblendlicht. Die Ausleuchtung ist insgesamt sehr gut und hell, das Abblenden des Fernlichtes funktioniert auch ohne Vergessen auf das Blenden des Gegenverkehrs.

Head Up Display während der Navigation


Unterhaltung:
Ambient-Beleuchtung und Entertainment: Fancy 30-färbig einstellbares Ambient-Innenlicht im Fußraum und diversen Öffnunden der Verkleidung. Logoprojektion vom Türgriff auf den Boden. Dynamische Blinker und „Zwinkern“ der Blinker zur Begrüßung und Veranschiedung des Fahrers. Entbehrlich, aber lustig. Entertainmentsystem für Musik- und Videoplayer auch via USB-C Stick.


Fazit
Ich habe vor der Anschaffung viel über E-Fahrzeuge gelesen und viele Nutzer haben gesagt, sie würden den Wagen nicht mehr zurücktauschen wollen. Das ist auch meine Erkenntnis, dazu macht das Fahren mit dem Elektrischen zu viel Spaß und bietet sehr ordentlichen Komfort. Die Assistenzsysteme funktionieren insgesamt sehr gut, wenn auch nicht zu 100% fehlerfrei. Der Softwarestand (aktuell 2.3) ist schon funktional ausgereift, dennoch kann es mal haken, ist halt doch auch ein Computer auf Rädern. Wenn man den deutlich höheren Anschaffungspreis akzeptiert und auch gewillt ist, hinsichtlich der Lademöglichkeiten vor und während einer Fahrt mehr zu planen, dann bekommt man ein Komfort-, Kraft- und Spaßpaket mit überwiegend positivem, ökologischem, und bei häufiger Nutzung auch insgesamt einem ökonomisch positiven Effekt. Ich mag auch das Gefühl, ein bisschen im Neuland, und manchmal auch ein wenig abenteuerlich unterwegs zu sein. Für extreme (Urlaubs)Langstrecken kann man sich ja die ein oder zwei Mal im Jahr auch einen Diesel-Bus ausborgen und dann 1.000 Kilometer am Stück fahren.

Links / Quellen:
VW ID Forum. Interessante Infos und Diskussionen zur VW ID Serie.

www.meinid.com
EMC Elektro Mobilitätsclub Österreich. Interessensgemeinschafft, gibt eine sehr praktikable Ladekarte für fast alle Anbieter in Österreich an Mitglieder heraus.
www.emcaustria.at
Chargeprice App. Sehr hilfreich im Tarifdschungel der Ladeanbieter. Berechnet die voraussichtlichen Kosten jedes Anbieters.
www.chargeprice.app

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Bananen in der Rolle

Nach der abstinenten Weihnachtszeit sind wir alle natürlich schon wieder gierig auf Mehl- und Süßspeisen. Dem möchte ich hier entsprechen und gebe ein Familienrezept für eine köstliche Bananenrolle weiter. Die hat immer meine Oma gemacht, und nun haben meine Mutter und ich uns der Sache angenommen, wir beide essen sie nämlich sehr gerne.

Basis ist ein klassischer Biskuit-Teig wie man ihn z.B. auch für eine Biskuit-Roulade zubereitet. Mein Rezept stammt aus dem empfehlenswerten Buch „Die Gute Küche“ (siehe Quellen):

Zutaten:
4 Eiklar
4 Eidotter
65g Kristallzucker
30g Mehl glatt
35g Stärkemehl
1 TL Vanillezucker
Prise Salz

Zubereitung:
Mehl mit Stärkemehl versieben. Eiklar, Kristall- und Vanillezucker sowie Salz zu steifem Schnee schlagen. Eidotter untermengen, Mehl vorsichtig unter den Schnee ziehen.

Den Teig auf Backpapier möglichst gleichmäßig fingerdick ausstreichen und bei 220 Grad ca. 10 Minuten backen bis er sich leicht braun verfärbt. Dann raus aus dem Rohr und mit der Oberseite nach unten auf ein zweites Backpapier, das mit Kristallzucker betreut ist, stürzen. Danach das erste Papier abziehen. Bisschen auskühlen lassen, aber noch warm weiter verarbeiten, dann lässt sich der Teig später leichter einrollen.

Der fertig gebackene Biskuitteig und die restlichen Zutaten

Jetzt kommt die Schoko-Komponente dran. Auf das Biskuit eine Schicht Schoko-Creme streichen, Menge nach Lust und Geschmack. Man kann dafür eine Pariser-Creme nehmen, ich bevorzuge aber ein ganz einfaches Hausfrauen-Rezept: Gleiche Mengen Schokolade (ich nehme immer die einfache Koch-Schokolade, man kann aber auch dunkle Kuvertüre oder Zartbitter-Schokolade nehmen), Butter und Kristallzucker (das knirscht dann so schön zwischen den Zähnen!). Bei geringer Hitze Schoki schmelzen und alles zusammen rühren bis eine glatte Masse entsteht.

Nun in Scheiben geschnittene Bananen darauf verteilen, und schon sieht es sehr gut aus und ist auch bereits fast fertig:

Fertig bestrichen und belegt

Wenn das erledigt ist, den Teig mit Hilfe des Backpapiers schön straff einrollen und am besten in das gleiche Papier einschlagen:

Bereit für den Kühlschrank

Damit dann für ein paar Stunden ab in den Kühlschrank. Das Ergebnis und der Geschmack sprechen für sich!

Bereit zum Essen!

Quellen:
„Die gute Küche“, Plachutta/Wagner, Orac 1993, ISBN 3-7015-0310-0

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Lebenserinnerungen fünfter Teil

Hier folgt nun nach dem ersten, zweiten, dritten und vierten der fünfte und letzte Teil der Lebenserinnerungen meines Großvaters. Berichtet wird über den Zeitraum von seiner Gefangennahme, der Zeit in französischer Kriegsgefangenschaft bis zur Rückkehr in die Heimat.

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Von Würzburg aus wurde er nach Worms am Rhein verbracht. Dort, in einem großen Lager mit rund 50.000 deutschen Kriegsgefangenen, war außer Kälte und Hunger, eingepfercht zwischen Drahtzäunen und streng bewacht, nichts zu bekommen. „In Worms gab es einen Anschlag, wobei mitgeteilt wurde, daß sich in Österreich eine Regierung gebildet habe. Eine wohltuende Meldung für uns Österreicher.“ Im Juni 1945 wurden Gefangene von den Amerikanern an die Franzosen ausgeliefert, darunter auch mein Großvater. Es ging von Worms mit dem Zug nach Lyon.

Fahrt nach Lyon

Die Situation im Lager Clermond-Ferand war unmenschlich, auch eine unterschiedliche Behandlung von Österreichern und Voksdeutschen fand nicht statt. „Es sammelten sich hier etwa 3.000 Mann. Wir von „Österreich“ bewohnten eine eigene Baracke. Die WC bestanden aus großen Eisenfässern, die mitten in den Baracken standen, gleich daneben die schlafende „Besatzung“ (Prisonier). Die Behältnisse gingen oft des nachts über…! Es gab einen Waschraum, mit Kaltwasser natürlich, was in den Sommermonaten noch anging. (…) Das Essen konnte man nicht als solches bezeichnen, es waren Hungerrationen, weil sie nur aus Wassersuppe bestanden in der ein Blättchen schwamm. 200g Brot in 24h. Jedes Krümchen wurde sorgsam aufgehoben und in den Mund gesteckt. Man lernte hier das Wort vom täglichen Brot. Unsere körperliche Verfassung reichte nicht für eine waghalsige Flucht, die ja durch die strenge Bewachung und den Stacheldraht undurchführbar schien. Dazu kamen nun die Läuse, die uns fast auffraßen. DDT lag in der Baracke zum „Einstreuen“, aber das Mittel war total durchfeuchtet und nicht verwendbar.“

Der Lagerarzt verkündete, dass er keinerlei Mittel zur Behandlung im Falle einer Epidemie hätte und empfahl, sich für Arbeitsstellen außerhalb des Lagers zu melden. Nach mehrfachen Versuchen klappte es schließlich auch für meinen Großvater, er wurde mit dem LKW in den Ort St. Georges, 20km von Clermont entfernt, gebracht. Nachdem die Zuteilung zur Landwirtschaft der Familie Francon erfolgen sollte log er was das Zeug hielt, u.a. was seine Melkkünste betraf. Eine Einstandsjause bei der Begrüßung durch die Bauern gab es nicht.

Ankunft bei der Familie Francon

Am ersten Arbeitstag stellte mein Großvater erfreut fest, dass das Melken der Kühe vom Sohn des Hauses erledigt wurde. Er sprach etwas Deutsch, da er neun Monate in der Schweiz interniert war. Meinem Großvater wurde jedoch die Obhut über das Pferd der Familie Francon namens Mignon übertragen. Er striegelte, bürstete und verpflegte das Pferd so gut er konnte. Es fiel zum Glück niemandem auf, dass er zuvor noch nie Kontakt zu Pferden hatte. Neben der Stallarbeit und einem Weinbau gab es auch Arbeit am Weizenfeld. Das Garbenbinden der Ernte hatte mein Großvater, auf dem Land in Afing bei St. Pölten aufgewachsen, schon als Kind gelernt. Das „Bandlmachen“ war die Arbeit der 12 bis 13jährigen Kinder gewesen.

Im Spätsommer 1945 bei Francon gab es Arbeiten, die ins Tischlerfach schlugen. Um die Lage noch mehr zu komplizieren, hakte ich auch bei dieser Arbeit ein. Eine Kellertür, einfacher Art, ein Vorspann für unsere zwei Kühe, aus Holz gefertigt, begeisterten die Familie Francon. Viel Zweifel muß den Franzosen schon aufgekommen sein bei meinen Tätigkeiten, weshalb man nun an mich, via Sohn, die Frage nach meinem wirklichen Beruf stellt. Ich bekannte Farbe.“

Dennoch schienen die Bauern mit ihm zufrieden zu sein. Als einmal eine Bemerkung über eine mögliche Flucht fiel war ab sofort alles immer verschlossen und die Fahrräder abgesperrt. Den Gedanken an eine Flucht musste man fallen lassen.

Die Sehnsucht, die Heimat wieder zu sehen, wuchs ständig. An das harte Los hatte man sich auch gewöhnt. „Im Lager Clermond las ich ein Buch, ein Satz blieb mir bis ans Ende der Gefangenschaft und noch lange danach in mir haften: „Oh Mensch, deiner Freiheit beraubt, sinkst du in den Stand des Tieres.“

Weihnachten in der Gefangenschaft

Die Tage in St. Georges waren aber gezählt, am 30. Dezember 1945 ging es wieder zurück in das Lager Clermont, wo wieder ein harter Winter bevor stand. „Es kam wieder eine unbarmherzig harte Zeit des Winters im Lager. Eine Tortur war das Waschen mit kaltem Wasser im Waschraum. Das Essen wie gehabt. Mein Körper wies Furunkel auf wie nach Noten. Der Vitaminmangel zwang uns, am Abfallhaufen nach Krautstengel zu suchen, worin man Vitamin vermutete. Die Furunkel konnten nicht behandelt werden, das Blut sickerte durch die Kleidung, die Gefahr der Infektion war groß. Die Läuse wurden immer mehr. Man hoffte, daß einmal Vertreter des Int. Roten Kreuzes erscheinen, um unsere Lage in Augenschein zu nehmen. Die ganzen Konventionen nützen nichts, wenn sie nicht angewendet werden. (…) Täglich wurden etwa 10 – 14 Kameraden aus dem Lager transportiert, um im Barackenlager B zu sterben. In Clermond hatte ich oft den Eindruck, daß es ein Morden mit anderen Mitteln sei. Bei etwas humaner Behandlung hätten nicht mehr soviele Opfer gebracht werden müssen.  Haß und Revanche dürften hier auch eine Rolle gespielt haben.“

Im Mai 1946 machten sich ersten Hoffnungen auf eine Rückkehr breit, als Bewohner der russischen Besatzungszone wurden sie jedoch zuletzt frei gelassen. Über Genf-Innsbruck, wo eine „totale Entlausung“ stattfand, kehrte mein Großvater am 22. Mai 1946 nach St. Pölten heim.

Heimkehr

Und so kam es auch. Nach seiner Meldung bei der Dienstbehörde in Wien wurde er, nach Befragung zu seiner Nazi-Vergangenheit und vier Wochen Erholungsurlaub, mit 1. August 1946 dem Dienst in der Zollwache-Abteilung Fratres im oberen Waldviertel zugewiesen. Mein Großvater begann also wieder seinen Dienst bei der Zollwache und wurde dort vielfach versetzt. Im Oktober 1946 nach Drasenhofen, im Dezember 1946 nach Reintal bei Bernhardstal, im Februar 1947 zurück nach Drasenhofen.

Zollwache Ottenthal 1947-1950
Zollwache Neckenmarkt 1955

Seine Laufbahn führte ihn über viele weitere Dienstorte wie Ottenthal, Litschau, Güssing und Deutschkreuz. In Litschau lernte er auch seine zukünftige Ehefrau kennen, Helene und er, Johann, heirateten am 16. Juni 1951 in Pöggstall im Waldviertel. Drei Kinder entsprungen der Ehe, von denen eines, Walter, leider schon nach vier Monaten verstarb. Im Juni 1975 ging mein Großvater schließlich als Oberstleutnant der Zollwache in Pension und führte sein Leben gemeinsam mit meiner Großmutter in Mattersburg weiter. Er verstarb 2007 im 95. Lebensjahr.

Mein Großvater

Und hier noch eine Karte, auf der mein Großvater alle seine „unfreiwilligen Reisen“ und Ziele eingetragen hat:

Die „unfreiwilligen Reisen“

Das waren die Berichte zu den Lebenserinnerungen meines Großvaters. Ich hoffe, es war auch für den geneigten Leser so interessant wie für mich.

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Lebenserinnerungen, vierter Teil

Nach den Berichten des ersten, zweiten und dritten Teils hier die Ereignisse, die zur Aufnahme meines Großvaters in die Wehrmacht führten und seine Erlebnisse dort.

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Kaum zurück in Berislaw kam es im Juni 1942 zu einem Zwischenfall, weil ein preussischer Beamter „zur besonderen Verwendung (ZBV)“ über die Ostmärker schimpfte und mein Großvater und die anderen Österreicher sich über ihn schriftlich beschwerten. Was zu Entsetzen beim Vorgesetzten führte und die Vorgehensweise als „Wehrkraftzersetzung“ eingeschätzt wurde. Die Beschwerde wurde daher umgehend zurück gezogen.

Ob es mit dem Vorhergehenden zusammenhängt bleibt unklar, aber schon am nächsten Tag erschien ein hoher Beamter vom Zoll und mein Großvater erhielt den Befehl, sich beim Heimat-Wehrmeldeamt zu melden. Nachdem das erledigt war fuhr er nach Kattowitz und versah noch kurze Zeit Grenzdienst, bald stellte er sich jedoch dem Einrücken beim Heer.

Ohne Ambitionen zum Heer

In Kattowitz – es war ein Ersatzhaufen wie man es gerne nannte – gab es sprachliches Durcheinander. Die Deutschen 3. U. 4. Grades – genannt die Wasserpolaken – waren in der Überzahl. Der Kp.Kdt. ermahnte einmal, Kameraden, ihr seid ja alle Deutsche, also wendet auch die Sprache an!“

Nach ein paar Tagen Zusammenstellung ging es über Darmstadt nach Ulm an der Donau. Dort harte Ausbildung im Grabenstürmen, Bunker aufsprengen usw. Mein Großvater hörte sich um und erfuhr, dass der Einsatz vermutlich in Nord-West-Russland stattfinden sollte. Er wollte alles, nur nicht nach Osten, drei Winter genügten ihm vollauf. Bei Gelegenheit wollte er diesem Schicksal entgegen wirken. Nach harter, wochenlanger Ausbildung dann die Nachricht, dass im Afrika-Korps Soldaten gebraucht wurden, um die gelichteten Reihen wieder aufzufüllen.

„Klar, dem Tod konnte man auch in Afrika in die Augen schauen, aber die Kälte, der ich immer abhold war, tritt do. nicht so stark in Erscheinung.“

Nach ein paar Tagen ging es weiter nach Landau, dort auch wieder Ausbildung, diesmal an die Verhältnisse in Afrika angepasst. Die nächste Station war Bitsch, wo 30kg Ausrüstung und Bekleidung ausgefasst wurde.

„Das Wunder-MG, Muster 42, wurde uns ausgefolgt. Ich war der „Glückliche“ und bekam auch eines in die Hand gedrückt. Das neue Ding wurde wegen der Einfachheit sehr bewundert und es dauerte höchstens eine Stunde und wir waren instruiert. Dann ging es endgültig einem neuen Ziel entgegen. Afrika.“

Auf dem Weg nach Afrika

In Neapel angekommen wurde schon am nächsten Tag um 3 Uhr morgens Alarm gegeben. Um 8 Uhr lag man schon am Flughafen und wurde nach dem Ausfüllen von Formularen für die Hinterbliebenen um 11 Uhr Vormittags in einer „alten braven Tante JU 52“ verladen. Alle wurden blass, keiner von ihnen hatte je einen Flug mitgemacht.

Der Flug nach Afrika

Nach viel Zittern in Biserta in Tunesien angekommen gruben sie sich samt Zelten ein, die Verpflegung war wegen der Seeblockade mangelhaft. Aufklärungsflugzeuge und auch nahe Bombenangriffe der Allierten fanden statt, richteten bei ihnen aber keinen Schaden an. Am 1. Dezember 1942 galt es einen von den Engländern gehaltenen, langgestreckten Höhenzug nahe dem Ort Dschdeida anzugreifen. Zur Unterstützung rollten Panzer an. Mein Großvater hatte eine Gruppe zu führen.

„Tage zuvor gab es in diesem Abschnitt viele Opfer auf deutscher Seite. Nun, so schien es, sollten wir die nächsten Schlachtopfer sein.“ (…) „. Es herrschte eine gedrückte Stimmung. Wußte doch jeder, daß es nun los geht und die Stunde der Wahrheit schlagen wird. Tage zuvor wurde jeder Versuch, die Stellung zu verlassen, von den Tommys mit heftigem Feuer verhindert.“

Der Angriff

Kurz darauf erhoben sich die Engländer zögerlich und hoben die Hände. Der Feind hatte aufgegeben! 41 Engländer wurden gefangen genommen. „Mir kamen menschliche Gefühle als sie Fotos aus den Taschen zogen und ihre Familien zeigten. Es waren große, etwas 30 jährige Männer aus London, wie sie erklärten. Sie wurden nach rückwärts abgeführt. Ich glaube, sie hatten Angst umgelegt zu werden.“

Nach etwa 2km kamen sie wieder zu einem Höhenzug, der auch von den Engländern gehalten wurde. Das Abwehrfeuer war heftig, sodaß die Truppe auf freiem Feld liegen blieb. Spaten zum Eingraben hatten sie nicht.

Verwundung

Mein Großvater wurde ein Stück zurück gebracht, blieb aber bis 23 Uhr unversorgt liegen. Dann wurde er auf einen LKW verladen und in ein Lazarett in Tunis gebracht. Im Vergleich mit den anderen Verwundeten stellte mein Großvater fest, dass seine Verletzung leichter Natur war, ein so genannter „Heimatschuß“. Bald ging es per Flugzeug weiter nach Trapani in Sizilien, und weiter nach Catania. Später mit dem Lazarettzug über Messina und Rom nach Amberg in Bayern. Eine dreitägige Zugreise, Ankunft am 23.12.1942.

Im Lazarett in Amberg

Die Betreuung und Versorgung dort waren gut, ein Kino war die einzige Ablenkung. Ostern 1943 wurde mein Großvater in das Heimatlazarett St. Pölten verlegt. Nach sechs Monaten Genesung kam er, versehen mit Gehstock und orthopädischen Schuhen, zur Genesungskompanie nach Landau/Pfalz und als nicht kriegsverwendungsfähig bald nach Rüsselsheim zur Bewachung der ausländischen Arbeiter im Opelwerk. Im Herbst 1944 wurde er wieder nach Landau zurück beordert und bedingt kriegsverwendungsfähig geschrieben. Ein dort gestelltes Ansuchen zur erneuten Zuteilung zum Zolldienst wurde von der Heeres-Entlassungsstelle in Darmstadt bearbeitet:

Jeder Mann wurde gebraucht
Wachdienst im Opelwerk Rüsselsheim

Zurück in Landau wurde mein Großvater eine Zeit geduldet, jedoch mit 1.1.1945 erfolgte die Abstellung zur Panzer-Grenadierschule in Potsdam, wo am 2.1.1945 bereits die Ausbildung begann. Aufgrund der Bedrohung durch Luftangriffe fand diese abseits der Kaserne im Freien und in Bunkern statt.

 „Ich mit meinen leichten orthopädischen Schuhen mußte bei Schnee und minus 6 Grad die Exerziererei mitmachen. Ich war, wie schon lange, angefressen. Höhere Gewalt ließ mir am 20.1.45, während der Ausbildung, 39 Grad Fieber zukommen. Ich lag zwei Tage in einem Zimmer der Kaserne, ohne ärztl. Versorgung. Der Hauptfeldwebel nannte mich einen Simulanten. Viel hat nicht gefehlt und ich hätte ihm etwas geantwortet. Aber das damalige Kriegsrecht war hart und unerbittlich.“

Mein Großvater hatte wieder „Glück“, es wurde eine Rippenfellentzündung diagnostiziert und er am 22.1.1945 ins Lazarett eingewiesen. Da die Rote Armee bereits nach Berlin drängte wurde das Lazarett geräumt und er wurde per Bahn nach St. Pölten in das Heimatlazarett geschickt. Nach zwei Wochen Behandlung wurde er allerdings vorzeitig gesund geschrieben und wieder zu seiner Kompanie, die in Schwetzingen bei Heidelberg lag, geschickt.

„Wieder bei einer Kompanie, wurde ich zu einem Zug zugeteilt, der von zwei Hauptleuten geführt wurde. Es waren uns 18jährige, ältere Kameraden, ein Misch-Masch. Die Hauptleute hatten keinen Auftrag zu kämpfen, wir wären eine Nachwuchseinheit, so hörte man. Das ganze Getriebe war so locker, die Auflösung zeichnete sich förmlich ab.“

Als die amerikanischen Truppen nahe Heidelberg kamen trat auch die Truppe meines Großvaters den Rückzug Richtung Bayern an, die Amerikaner immer hinter ihnen. „Es war turbulent, die Auflösung der Wehrmacht des Dritten Reichs war eindeutig sichtbar.“

Das letzte Aufgebot

Die beiden Hauptleute waren verschwunden, junge Leutnants führten nun den kleinen Haufen. Am 15. April 1945 lag die Truppe hoffnungslos und ohne Verpflegung in einem Wald als sie von amerikanischen LKW überrollt wurde. Lautlos liegend blieben sie verborgen. „Am 15. April, im Wald liegend, erklären unsere Leutnants, da wir nun überrollt sind, kann jeder sich „durchschlagen“, wohin sagten sie nicht.“

Nach einigen Tagen Quartier unter Tannen war der „kaum mehr vorhandene Widerstand“ der Truppe gebrochen und sie gingen zum nächstgelegenen Ort namens Ober-Dachstetten. Dort bekamen sie von einer Bäuerin Milch zum Stillen des ärgsten Hungers. Bald darauf kam ein Jeep der Amerikaner und sie wurden im Hof eines Landwirts perlustriert, alle Ausrüstung wurde ihnen abgenommen – mit Ausnahme der Uhren!

Kriegs-Klischees bestätigt

Letztlich wurden alle auf überfüllte LKW verladen und stehend nach Würzburg befördert. Nun beginnt für meinen Großvater die Zeit der Kriegsgefangenschaft, worüber im fünften und letzten Teil berichtet wird.

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