Lebenserinnerungen, zweiter Teil

Im ersten Teil der Lebenserinnerungen meines Großvaters hatte ich von seinem Aufwachsen, seiner Lehrzeit und dem Wechsel zum Bundesheer berichtet. In diesem Teil geht es um seine Berichte wie sich die Naziherrschaft in Deutschland ausgewirkt hat und sich die Zeit ihren Weg zum Weltkrieg bahnt.

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Hier noch ein zeitlicher Vorgriff zum Schicksal des im ersten Teil erwähnten Lt. Götz:

Weggeschickt und in der Not wieder geholt

Nach zwei Jahren Wartezeit wurde das Ansuchen meines Großvaters auf Übernahme in die Zollwache 1936 positiv beschieden. Es folgte eine Vorladung in die FLD-Wien zur schriftlichen Prüfung und amtsärztlichen Untersuchung, beides hat er erfolgreich absolviert. Per 7. Jänner 1937 begann der Zollwache-Unterrichtskurs in Obernberg/Inn in OÖ und endete am 31.3.1937. Nach erfogreichem Abschluß erhielt er das Anstellungsdekret und der Dienstort wurde zugeteilt. Per 1.4.1937 sollte er in Brand/NÖ, einem Dorf an der tschechischen Grenze nahe Gmünd, Dienst tun.

Zollwache-Kurs 1937
Einöde statt Idyll

Das Dorfleben war überschaubar, sein Chef der Revierinspektor, Zöllner, Lehrer, Postfräulein trafen sich Mittags im Wirtshaus Zeller oder bei Einladungen der „lebenslustigen Chefin des Kaufhauses„. Der Dienstbereich der Zöllner war groß, von Neunagelberg bis Schlag, 4km Anmarschweg zur Grenze und dann 8 Stunden Patrolie im Wald.

Manche sind eben gleicher an Andere

Geschmuggelt wurde damals viel, interessanterweise z.B. im Jahr 1937 1.600kg des Süßstoffes Saccarin, was der tschechischen Zuckerindustrie großen Schaden bereitete. Von der Politik war man zu der Zeit im nödlichen Waldviertel noch weit entfernt, man beschränkte sich auf das Abhören des Rundfunks.

Die nach der Ermordung von Dr. Dollfuß im Jahre 1934 eingesetzte alleinige Regierung der Vaterländischen Front unter Dr. Schuschnigg kam zunehmend unter Druck. Schuschnigg wurde von Hitler auf den Obersalzberg vorgeladen weil er eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Österreichs abhalten wollte. Er wurde dort so unter Druck gesetzt, dass er die Heimreise antrat.

Finis Austria

Bald kamen drei deutsche Zollbeamte nach Brand, die zwar nicht am Dienst teilnahmen, aber Symbolfiguren des Dritten Reichs waren. Die Macht des Ortskommandanten schwand, während die Nazis „fest mit dem anderen Geschlecht feierten“.

Das Verhältnis meines Großvaters zum Kommandenten veränderte sich, etwas gefiel ihm nicht an ihm. Vernaderung duch Kommandanten vermutet er, „Kriecher hat es damals schon gegeben“. 1938 erhielt er eine Versetzung per 1.7.1938 nach Neumarkt/Raab im Burgenland.

Die Verabschiedung ist nicht nett

In Neumarkt, am Grenzübergang St. Gotthard, war der Dienst abwechslungsreicher, auch der Kontakt zu den ungarischen Grenzposten war sehr gut. Man traf sich auch in St. Gotthard „auf einen Tokayer„. Auch in Neumarkt waren bereits deutsche Zollbeamte vor Ort. Mein Großvater nannte sie „Zwölfender„, weil sie 12 Jahre bei der Reichswehr gedient hatten. Sie fielen eher dadurch auf, dass sie drei Tage der Woche so besoffen waren das sie nicht mehr stehen konnten. Mit seinen nunmehr 26 Jahren fühlte er sich nicht recht glücklich in Neumarkt.

Die Unterbringung in Neumarkt

Nachdem Hitler das „Sudetenland heim ins Reich geholt hatte“ wurden für Grenzaufgaben Beamte gesucht. Mein Großvater meldete sich sofort, durch die „verschiedenen Geschehnisse in der Welt und im deutschen Raum war die Zeit ja interessant geworden„. Mit Wirkung vom 15. März 1939 wurde er nach Selletitz in den Bezirk Znaim an die Protektoratsgrenze versetzt.

Im kleinen Ort gab es hauptsächlich Landwirte, zöllnerische Aufgaben gab es keine, „außer das Auftreten, dass hier das Groß-Deutsche Reich beginnt„. Er erwarb dort eine schöne NSU Solomaschine von einem Kollegen, der die Anwaltskosten im Zuge eines Ehestreits nicht mehr begleichen konnte.

Letzte Bewegungen vor dem Krieg

Im nächsten dritten Teil erzähle ich vom Weg meines Großvaters ab dem Kriegsbeginn Richtung Osten, wohin auch die Zollbeamten nachgezogen wurden.

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