Lebenserinnerungen, erster Teil

Es gibt im Nachlass meiner Großeltern einen Text, der die Lebenserinnerungen meines Großvaters mütterlicherseits erzählt. Er hat ihn 1986 geschrieben, natürlich auf der Schreibmaschine getippt, und mit zahlreichen Fotos versehen. Als Jugendlicher durfte und sollte ich gelegentlich darin blättern um zu sehen, was der Großvater so erlebt hat. Und das ist so einiges, daher möchte ich hier einen kleinen Einblick geben, versehen mit Auszügen aus dem Originaldokument. Man kann sich heute kaum vorstellen, vor welche Herausforderungen die Menschen dieser Zeit gestellt waren und was sie erdulden mussten. Hier der erste Teil, weitere vier folgen.

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Einleitung der Lebenserinnerungen im Original

Geboren 1912 in Wien, Alservorstadt, die ersten fünf Lebensjahre als Pflegekind bei einer fremden Familie in Wolfstein nahe der Wachau, wurde er 1917 wieder von seiner Mutter heim nach Afing bei St. Pölten geholt. Der Vater war schon 1914 zu den Truppen des Ersten Weltkrieges einberufen worden, die Mutter arbeitete auf einem Bauernhof, wo die Familie auch einen kleinen Raum im Bauernhaus bewohnte.

Er besuchte die damals achtjährige Volksschule in Neidling, wo er von sehr strengen Lehrern berichtet. „Sogenannte „Patzen“ mit dem Rohrstaberl über die offene Handfläche, sowie das „Gleiten“ des Rohrstaberls über den Rücken des „Täters“ sind mir noch in guter Erinnerung. In der heutigen Zeit unvorstellbar.“ Aber auch die Eltern bedienten sich laut dem Bericht gelegentlich dieser Methoden.

1925 schaffte er die Aufnahmeprüfung auf die Bürgerschule in St. Pölten, die damals als „Hochschule des kleinen Mannes“ galt und nicht auf ein Studium vorbereitete, sondern als mittlerer Bildungsweg die Bedüfnisse von Gewerbe und Landwirtschaft bedienen sollte. Das war damals eine doch höherklassige Bildung, auf die mein Großvater mit zusätzlichen Unterrichtsstunden vorbereitet wurde. Auch das nicht ohne Schwierigkeiten.

Erinnerungen an die Nachhilfestunden

Die Bürgerschule war 7km vom Wohnort entfernt, die tagtäglich und bei jedem Wetter zu Fuß hin und retour zurückgelegt werden mussten. Auch hatten er als Bub vom Land einen schweren Stand bei den städtischen Mitschülern, was sich insgesamt leider auch auf den schulischen Erfolg niederschlug. Nach drei in harter Arbeit absolvierten Klassen endete die Bürgerschule 1927 im Alter von 15 Jahren.

Die Familie zieht um nach St. Pölten, Rathausplatz, in eine bescheidene Hausbesorgerwohnung, aber erstmals mit einem gemauerten WC, was die Familie bisher noch nie hatte! Die schwierige Suche nach eine Lehrstelle endete bei einem Tischler im 8km entfernten Flinsbach, wo mein junger Großvater das Tischlerhandwerk erlernte und 1930 erfolgreich die Gesellenprüfung ablegte. Das Leben als Lehrling hatte zu der Zeit wenig zu bieten, lediglich das Theater in St. Pölten besuchte er regelmäßig und gerne, konnte er sich doch mit der Frau des Wohnungsvermieters über die Stücke unterhalten.

Alltag in der Lehrzeit
Erinnerungsfotos aus der Zeit 1931-33

Nicht zuletzt auch wegen der Staubbelastung des Tischlerberufes versuchte mein Großvater beim Militär unter zu kommen, da es aber sehr viele Bewerber gab musste er sich von 1931 bis 1933 mehrfach der Musterung anbieten. Durch einen so genannten „Sponsor“ klappte es dann doch, er wurde am 20. März 1933 mit 400 anderen Rekruten in die Kaserne in Krems zur 1. MG-Kompanie einberufen. Er hatte sich für sechs Jahre verpflichtet.

Großer Andrang bei der Stellung

1933 begannen mit der Machtübernahme Hitlers in Deutschland schwierige Zeiten auch in Österreich. Sympathisanten der Nazis tauchten auch in der Kaserne auf, diese wurden aber bald entlassen. Aufmärsche, Bombenattentate, Einsätze zur Aufrechterhaltung der Ordnung, ständige Alarmbereitschaft und tagelang kein Ausgang. Die bürgerkriegsähnlichen Ereignisse in Wien wurden von der Ferne aus beobachtet, auch das Einheiten der Artillerie Gemeindebauten unter Beschuß nehmen mussten.

Die Stimmung ändert sich

Ostern 1933 wurde er nach nach St. Pölten in die Hesser-Kaserne versetzt. Zu den schönen Erinnerungen dieser Zeit zählen die Übungen im Voralpenbereich und auch im Hochgebirge wie u.a. am Ötscher, Dachstein und der Bischofsmütze. Ein gewisser Lt. Götz veranstaltete für eine Auswahl von Soldaten diese Touren für einen Kostenbeitrag von 40 Schilling. Und das bei einem Monatssold von 30 Schilling. Wie mein Großvater an anderer Stelle ausführte „wenn man Sparen gelernt hatte, kam man über die Runden.“ 1935 meldete er sich wieder in die Kaserne nach Krems zum so genannten Messzug, bei dem Messverfahren für den Stellungskrieg geübt wurden. Wie mein Großvater ausführt „in der heutigen Zeit unanwendbar„. Zu dieser Zeit schrieb er ein Ansuchen zur Aufnahme in die Zollwache, hier wurde Personal gesucht.

Große Touren wurden unternommen
Bundesheer in Krems 1933-37
Hochgebirgs-Alpin-Kurs 1934 am Dachstein

Das war nun einmal der erste Teil meines Berichtes über die Lebenserinnerungen meines Großvaters. Über sein weiteres Fortkommen in der Zollwache sowie die sich anbahnenden Kriegszeiten und deren Auswirkungen auf ihn berichte ich im nächsten Teil.

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4 Gedanken zu „Lebenserinnerungen, erster Teil“

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