Lebenserinnerungen, dritter Teil

Nach dem ersten und zweiten hier nun der dritte Teil der Lebenserinnerungen der berichtet, wie mein Großvater immer weiter in die Kriegswirren hineingezogen wurde.

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Am 1. September 1939 startete der Angriff auf Polen, der Zweite Weltkrieg begann. Um die neuen Grenzen in Polen zu sichern brauchte man einen Zoll-Grenzschutz. Am 18. September 1939 wurde mein Großvater nach Polen versetzt, vorher konnte er noch seine geliebte NSU-Maschine bei einer Tante einstellen.

Zu bewachen war die Grenze in Bachorczec, 30km südlich von Przemysl. Polen war zu diesem Zeitpunkt geteilt, die „Interessensgrenze“ zwischen Deutschland und Russland bildete der Fluß San. „In trauriger Erinnerung blieb mir der Hl. Abend 1939, der Tag an dem wir am San Quartier bezogen. Auf Stroh gebettet, Kerzenbeleuchtung. Zum erstenmal im Leben so einen Hl. Abend zu verbringen ließ mir Tränen in die Augen steigen.“

Grenze und Dienst am San
Die Nonnen, die für das Kochen sorgten

Der Winter 1939 war sehr kalt, Temparaturen bis Minus 32 Grad, der die Kleidung der Beamten kaum gewachsen war. Besonders beeindruckt hat meinen Großvater die Religiösität der Mensche, die Kirchen waren immer voll. Die Frage einer Nonne nach seiner Herkunft brachte große Erleichtung, man könne in Österreich ja auch Kirchen besuchen. „Man hatte den Eindruck, die Besatzung diesseits des San war ihnen lieber als die jenseits des Flusses.“ Bald wurde die Einheit aus dem Notquartier in Räumlichkeiten des im Ort wenig beliebten Herrn Grafen verlegt, wo auch eine Gemeinschaftsküche das Kochen der Nonnen nicht mehr notwendig machte.

Noch im Jahr 1940 wurde die Einheit 4km weiter nördlich nach Dubiecko verlegt.

Die Versorgungslage bessert sich
Die Dienststelle in Dubiecko
Schlachtfest in der guten Unterkunft

In Dubiecko stieß mein Großvater auf einen Zoll-Betriebsassistenten namens Sepp Zügner, der als Kriegsfolge mit amputierten Unterarmen später in Graz lebte. „Unser Chef in Dubiecko war – wie könnte es sein – wieder ein 12ender. Magnus Wilken hieß er. Ich durfte Stellv. Sein. Von der Kanzlei hatte er nicht viel Ahnung, von der Schreibmaschine keine. Gab es auf dieser zu schreiben, meinte er immer, Hans, mach du, du kannst es besser.“ Weihnachten 1940 konnte die Einheit eine Baum besorgen und notdürftig schmücken, um an Weihnachten zumindest erinnert zu sein.

„21. Juni 1941. Ein Hauptmann der Wehrmacht erschien bei uns in Dubiecko und eröffnete, daß morgen, den 22. Juni 1941, ab 3 Uhr morgens, der Krieg mit der Sovietunion begänne. Alle Grenzschutzbeamten haben um Mitternacht die bereitgestellten Stellungen am Sam zu beziehen.“ Mit der Ausrüstung als Grenzbeamte waren sie für militärischen Operationen nicht geeignet. Man glaubt auch nicht so recht an den Krieg mit der Sowjetunion, als aber um 3 Uhr morgens die ersten Sturzkampfbomber über die Grenze flogen war jeder Zweifel verflogen.

Die Leute jenseits des San waren freundlich und zugänglich

Das Ziel der deutschen Wehrmacht war die Eroberung der Ukaine bis zum Fluß Don. Ein Grenzschutz war erforderlich, daher wurde die Einheit immer weiter nach Osten gezogen. Im September 1941 wurde in die westrussische Stadt Bar verlegt, wenig später nach Kapitanowka. „Die Verwüstungen dort, die der Krieg angerichtet hatte, waren entsetzlich groß. Man bekam einen Geschmack vom Krieg und seinen Folgen.“

Kriegsfolgen in Polen

Im Spätherbst ging es weiter nach Osten, mein Großvater landete in Cherson am Schwarzen Meer.

Auch hier unendliche Zerstörungen am Hafen. Hier verbrachte ich den Hl. Abend 1941. In meinem Gepäck befand sich ein kl. Volksempfänger. Mit diesem konnte ich eine russ. Sendung aus dem Ural einfangen. Der Sprecher konnte gut Deutsch und was er sagte war nicht ermutigend für uns. Unter anderem erwähnte er, daß im Ural 2 Mill. Mann in Ausbildung stünden was nicht unwahr klang. Tun konnte man gegen solche Sendungen nichts, man ging eben einem ungewissen Schicksal entgegen.“

Lange blieben sie nicht dort, Anfang Jänner 1942 wurde die Einheit auf Panje-Wagen verladen und, von zwei Pferden gezogen, in langer, frostiger Fahrt in die ca. 80km entfernte Stadt Beryslaw am Dnjepr gebracht. Wieder wurde eine Küche installiert, die von zwei volksdeutschen Frauen, Schwaben die die nach Russland eingewandert waren, geführt wurde. Die Fenster mussten aufgrund der Kälte mit Stroh verstopft werden. Der Dienst erstreckte sich auf Warten und Posten stehen am Dnjepr, und das in ungewohnter Kälte.

Berislaw am Dnjepr

Hier kamen sie erstmals mit ebenfalls dort stationierten Wehrmachtseinheiten in Kontakt, und mit den schrecklichen Bildern des Krieges: „Auch einen Galgen mit vier Opfern konnte ich  erstmals in Augenschein nehmen. Der Anblick war frustrierend.“

Zeugen des Krieges
Am Djnepr

Im Frühjahr 1942 wurde mein Großvater mit fünf Kollegen nach Kattowitz beordert um gebrauchte KFZ für die Verwendung durch den Zollgrenzschutz zu holen. Der Weg dorthin betrug 2.000km. Mein Großvater übernahm dort eine Beiwagenmaschine, ein Beutestück aus dem Frankreich-Feldzug. Sie fuhr nicht schneller als 50km/h ohne heiß zu laufen, und damit galt es, die Strecke von 2.000km wieder zurück zu fahren. „Täglich schafften wir 150 bis 200km. Es war eine lange und beschwerliche „Transaktion“. Dazwischen lagen etliche Zwischenfälle wie Steckenbleiben im Schlamm, Defekte und Reparaturen usw. Erst in Djnepropetrowsk am Djnepr konnten sie wieder zu den Kollegen stoßen um dann nach Berislaw weiter zu reisen.

In Djnepropetrowsk

Das war der dritte Teil der Lebenserinnerungen meines Großvaters. Im vierten Teil berichte ich über die Aufnahme in die Wehrmacht und die Verwundung in Nordafrika.

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