Oder: Die Auswirkungen der Materialspannung an Kanten und Übergängen
Jeder kennt diese Situation. Es ist Silvester, kurz vor Mitternacht, die Menge dürstet nach Schaumwein und es ist nur ein Säbel zur Hand. Kein Probem, denn angeblich schon seit napoleonischen Zeiten wird, nicht nur in Frankreich, das Sabrieren, d.h. das Öffnen von Champagnerflaschen mit dem Säbel (franz. Sabre) mittels „Köpfen“ der Flasche praktiziert. Der Korken verbleibt dabei im Flaschenhals, das Glas bricht an der Stelle der höchsten Spannung im Material direkt am Übergang zum Wulst an der Öffnung.
Ich kannte das bisher nur aus Filmen oder komödiantisch interpretiert, habe es aber diesen Silvester selbst ausprobiert. Bestärkt von einem guten Freund, Doktor des Maschinenbaus und damit Experte, sollte ich eine Sektflasche köpfen. Er meinte noch, ich solle einfach ein Buttermesser nehmen, das funktioniere auch – hat mich aber nicht ganz überzeugt. Ein mittelgroßes Kochmesser sollte es werden, und so ist es gelaufen:
Mit konsequenter Bewegung und der richtigen Köperhaltung klappt es gleich beim ersten Mal!
Meine Tipps zur selbst ausprobieren: Drahtkorb und Papier/Folie vom Flaschenhals entfernen, Messerrücken an der Flasche im spitzen Winkel ansetzen und zügig entlang des Glases zum Faschenhals ziehen. Treffen soll es genau den Wulst an der Öffnung, nicht den Korken. Wenn man eine Längsnaht an der (Pressglas)Flasche erkennen kann, dann genau die Schnittstelle mit dem Wulst anvisieren, das ist angeblich der schwächste Punkt. Wenn alles gut geht fällt der Flaschenkopf ab, der austretende Sekt spült etwaige Glassplitter weg und dem Genuß steht nicht mehr im Wege!
Und das Teil kann man dann als Erinnerung bzw. Trophäe aufbewahren.
Nächstes Jahr dann mit dem Buttermesser, oder dem Boden eines Sektglases, aber das ist nur für echte Profis.
Wer sich schon einmal gefragt hat, wie sich die alliierten Truppen im Zweiten Weltkrieg in den befreiten Gebieten, die ihnen ja überwiegend kulturell und sprachlich fremd waren, orientieren konnten – hier ein Detail dazu, das den Bereich der militärischen Ausrüstung betrifft.
Es gab jedenfalls auch reichlich Handbücher für die in Europa eingesetzten Befehlshaber und Truppen. Zumindes für die britischen amerikanischen Truppen gibt es Beispiele wie das „Austria Basic Handbook“ oder das „Field Handbook on Military Government„. Eine Link zu einer Zusammenstellung solcher Titel findet sich in den Quellenangaben am Ende.
Das Dokument, dass ich hier vorstellen möchte, betrifft die militärische Ausrüstung von Deutschland und Japan. Herausgegeben von der US Army soll es der Identifikation und den groben Kenndaten diverser Waffensysteme, Munition und anderer Kampfmittel dienen. Aber auch die Bedeutung und Verwendung der japanischen Schriftzeichen wird ausführlich dargestellt. Das Dokument ist aus der Geheimhaltung ausgeschieden und in seinem Umfang (307 Seiten) und Detaillierung sehr interessant. Es beginnt mit Material aus Deutschland:
Bei allen Ausrüstungsgegenständen gibt es ein Bild, eine Beschreibung und oft auch eine schematischen Zeichnung sowie eine Liste mit Kenndaten. Die lange Liste umfasst auch eine bemerkenswerte „Waffe“:
Mit dieser einfachen Konstruktion, vergeichbar mit einem Granatwerfer, konnten Flugblätter und Propagandamaterial hinter die feindlichen Linien geschossen werden.
Fast noch interessanter ist die Sektion zum japanischen Material. Auch hier geht man detailliert auf die Materialien und Geräte der langen Liste ein. Insgesamt bemerkt man in Vergleich zu Deutschland aber einen technischen Abstand und auch andere Konzepte. So sind z.B. Handgranaten oder Minen aus Terrakotta hergestellt und es gibt auch Waffensysteme, die das Überleben des Bedieners erwartbar zumindest gefährden:
Terakotta HandgranateHohlladungsgeschoß mit Handbedienung
Und es fällt auf, das u.a. Munition oder Zünder mit japanischen Schriftzeichen gekennzeichnet sind. Für die Alliierten, die diese Dinge bergen, entschärfen und entsorgen mussten eine Herausforderung. Daher gibt es in dem Dokument einen umfangreichen Abschnitt, der sich der Sprache und v.a. der Schriftzeichen widmet.
Der Schwerpunkt der Beschreibungen widmet sich dem Schema der Kombination der Zeichen und damit der Identifikation des Materials:
Das nur ein kurzer Einblick in dieses sehr spezielle Dokuments für diesen spezifischen Einsatzzweck. Man kann davon ausgehen, dass es sehr viel diesbezügliche Dokumentation gegeben haben muss um den Befehlshabers einen Überblick über die militärische, politische, verwaltungstechnische usw. Situation in den befreiten Gebieten ermöglicht zu haben.
Wer gerne selbst hineinschmökern möchte – ein Downloadlink findet sich in den Quellangaben.
Ich hatte schon lange keine klassische Windows Neuinstallation auf einem Gerät ausgeführt. Interessant, was hier für Meldungen zur Verkürzung der Wartezeit aufpoppen!
Vielleich übernehmen die Damen und Herren in Redmond zusätzlich zu den Lizenzgebühren und persönlichen Daten auch die Pflege meiner Nassräume? Naja, mein Vertrauen in diese Botschaft ist jedenfalls durchwachsen.
Ich habe mit dem Garten meiner Großeltern auch ein altes Stockerl übernommen, das ich vor kurzem einer Sanierung unterziehen wollte. Ich mochte den Stil und Charme und daher ein paar Ertüchtigungen vornehmen. Beim Abnehmen der aufgeschraubten Eternitplatte kam Überraschendes zum Vorschein:
Unter der Platte lagen, wohl zum Ausgleich von Unebenheiten und als Zwischenlage zu den ursprüglich außenliegenden Brettern, einige alte Zeitungen. Ich habe mich gleich gefreut, so einen über viele Jahre konservierten Fund zu machen. Bei näherer Betrachtung war die Freude aber noch größer.
Es handelte sich um einige Blätter von drei verschiedenen Zeitungen, und auch das Erscheinungsdatum ist sehr interessant:
„Das kleine Blatt“ vom 29. September 1938 (Wikipedia) „Die kleine Volks-Zeitung“ vom 9. Oktober 1938 (Wikipedia) „Neues Wiener Tagblatt“ vom 9. Oktober 1938 (Wikipedia)
Vielfaches ist interssant wie ich finde. Die Zeitungen sind nur wenige Monate nach dem Einmarsch von und der Annektierung durch Hitler-Deutschland im März 1938 in Österreich erschienen, also inhaltlich interessant – dazu später mehr. Wer auch immer der Hocker besaß hatte zumindest drei verschiedene Zeitungen gekauft und gelesen – unerwartet. Und nicht zuletzt wurde die Zeitungen offenbar bei einer vorhergehenden Sanierung des Stockerls eingelegt, und das war schon vor 86 Jahren! Das originale Stockerl ist also noch deutlich älter – hätte ich nicht erwartet.
Zum Inhaltlichen
„Das kleine Blatt“, 1927 als leichter zugängliches Medium zur Verbreitung sozialistischer Inhalte gegründet, wurde vom NS-Regime rasch „umgebaut“. Hier ein paar anschauliche Beispiele, der ganze verfügbare Text strotzt vor NS-Themen:
Die „Kleine Volks-Zeitung“, 1918 aus der ursprünglich „Oesterreischichen Vokszeitung“ hervorgegangen, liegt mir hauptsächlich in einigen Blättern Kleinanzeigen vor. Interessant ist auch hier die merkbare Durchdringung mit NS-Diktion:
Das „Neue Wiener Tagblatt“ erscheint seit 1867 und wurde nach 1938 aufgrund ihrer großen Verbreitung rasch in die Propaganda eingegliedert und auf NS-Kurs gebracht. Mir liegt sie hier als Sontagsausgabe und haupsächlich in Erzählungstexten sowie Börsenkursen vor. Die Erzählungen sind harmlos bis kitschig, die Börsenkurse zeigen noch Handelsdaten mit den Regimegegnern. Und: Es gab 1938 Aktienkurse für Schmalz aus Chicago – faszinierend.
Ich habe die Zeitungen geborgen und das Stockerl behutsam saniert. Verwendet wird es immer noch. Um so lieber, als ich nun seine lange Geschichte besser kenne.
Ich habe vor etlichen Jahren mitten in meiner Hecke einen zufällig aufgegangenen, kleinen Baum gefunden, gerade einmal 20cm hoch. Aufgrund der Blätter als Pfirsich identifiziert wurde ich neugierig und habe das Bäumchen an einen anderen Platz im Garten mit mehr Platz und Sonne verpflanzt. Über die Jahre ist schnell ein ansehnliches Bäumchen daraus geworden. Es hat sich als Weingartenpfirsich entpuppt, das große und sehr schmackhafte Früchte trägt.
201420162023
Leider hat es im Vorjahr unter eine Krankheit (Kräuslkrankheit?) sehr gelitten. Es sind fast alle Blätter und viele der unteren Äste abgestorben. Am Bild von 2023 sieht man eine gewisser Erholung, neue Blätter und Triebe in der Krone. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob es den nächsten Winter gut überstehen wird. Nachwuchs für den Notfall muss also her!
Der Weingartenpfirsich ist eine Ausnahme bei den Ostbäumen, er wird zumeist nicht veredelt und kann unter Erhaltung der Eigenschaften aus dem Samen/Kern gezogen werden. Bei den allermeisten Obstbäumen geht das so nicht. Diese werden veredelt, d.h. ein Trieb oder Auge der zu vermehrenden Sorte wird auf eine so genannte Unterlage aufgebracht (durch Pfropfen, Okulieren, o.ä). Der Baum wurzelt dann mit der Sorte der Unterlage (bestimmt Wachstum, Robustheit usw.) in der Erde und trägt eine Krone aus der Edelsorte. Wenn man Äpfel, Birnen, Zwetschgen o.a. aus dem Kernen aufzieht weiß man nicht was man bekommt – die Eigenschaften der Frucht gehen verloren, man ist dem genetischen Zufall ausgeliefert.
Normalerweise keimt der Samen/Kern des Pfirsichs nur schwer und langsam. Schließlich ist er in einer dicken und harten Schale eingeschlossen. In der Natur benötigt der Samen auch etliche Wochen Frost um zu erkennen, dass es nach dem Ende des Frostes Frühling ist und somit Zeit zu keimen. Um das nachzubilden kann man die Kerne auch lange in die Tiefkühltruhe geben, und dann einsetzen und warten. Die Erfolgsquote ist allerdings nicht hoch, umso höher muss die Geduld sein.
Einfacher ist es, die Schale zu entfernen und nur den innersten Kern einzupflanzen. Dann keimt er unmittelbar auch ohne Kältebehandlung – und das geht so:
Die Dicke und harte Schale des Kerns wird geknackt, am einfachsten geht das in einem Schraubstock. Danach für einige Stunden in Wasser einlegen, damit die dünne braune Haut weich wird und sich ablösen lässt. Ganz so, wie man es von Mandeln zum backen kennt.
Vorsicht ist geboten, um nicht die feine, kleine Spitze zu beschädigen. Aus dieser wächst später die Wurzel. Daher darf sie beim Einpflanze auch nicht nach oben zeigen. Ich habe alle Kerne waagrecht eingesetzt, dann können Wurzel und Trieb leicht nach oben und unten wachsen. Also ab damit in die Erde (maximal ein Zentimeter Überdeckung), angießen und feucht halten.
Nach nicht einmal zwei Wochen kam die erste Triebspitze an die Oberfläche!
Von den insgesamt neun vorbereiteten Kernen haben fünf ausgetrieben, das ist keine schlechte Quote. Und schon nach wenigen Wochen werden die Bäumchen so groß sein, wie ich den ursprünglichen Sämling einst fand. Ein schöner potentieller Ersatz für den kranken Baum, oder besser: Ein Zweit- oder Drittbaum für den Garten!
Schon vor einigen Jahren bin ich auf ein antiquarisches Buch zum Thema „Blut- und Säftereinigung“ gestoßen. Insbesondere das Kapitel über das Reibebad hat mich fasziniert, nicht zuletzt aufgrund der durchaus auch misszuverstehenden Anleitungen zur Durchführung der verschiedenen Reibebäder. Aber sehen sie selbst:
Das Rumpfreibebad
„Man wäscht seinen Unterleib vom Nabel bis zur Schamgegend abwärts und seitwärts, wobei man mit einem Waschlappen unter Wasser unentwegt hin- und herreibt. Die Leistengegend bis zum After, die äußeren Geschlechtsteile, insbesondere der Unterbauch, über den in langen Zügen hin und hergestrichen wird, sollen bearbeitet werden“
Das Reibesitzbad für Frauen
„Die Badende taucht einen Naturschwamm oder ein altes lockeres Leinentuch in das Wasser und spült damit, möglichst viel Wasser hochnehmend, leicht von unten nach aufwärts streichend, über die äußeren Geschlechtsteile; diese werden ständig bespült, auch sanft hin- und hergewaschen, nicht jedoch kräftig gerieben. Erst wer erfahren hat, worauf es ankommt, darf während des Bades lesen (Studentinnen lernen dabei, weil der Kopf freier und aufnahmefähiger wird).“
Das Reibesitzbad für Männer
„Das männliche Glied wird zum Wasser hingehalten, und zwar so, daß zwei bis drei Finger die Vorhaut, die über die Eichel nach vorn geschoben wird, vor der Eichel zusammenhalten; dadurch ist die Eichel vollständig überdeckt. Die vorgestülpte, nun wulstartig gefaltete Vorhaut wird jetzt unter Wasser leicht mit einem Leinentuch 15-20-30 Minuten lang gewaschen oder zart hin und hergerieben. Auch der übrige Geschlechtsteil kann zeitweilig mitgewaschen werden (…)“
Hintergrund und Einordnung
Das Reibebad als Teil der Hydrotherapie, einem Teil der klassischen Naturheilkunde, sollte wie auch andere Wasserbehandlungen (Wassertreten, Güsse, Bäder, Dämpfe, Wickel usw.) die Entschlackung und Entgiftung des Körpers fördern und gegen zahlreiche akute und chronische Beschwerden helfen. Auch eine Abhärtung durch den Einsatz von kaltem Wasser oder der Einsatz von sehr heißem Wasser war möglich. Die Erfindung des Reibebades wird Louis Kuhne (*1835 +1901), einem Zeitgenossen von Sebastian Kneipp, zugeschrieben
Das betreffende Buch wurde von Dr. med. Erich Rauch (*1922 +2003) verfasst, einem österreichischen Arzt, der auch die so genannte Franz Xaver Mayr-Kur maßgeblich förderte. Auch diese sollte durch leicht verdauliche, monotone Ernährung und milde Abführung eine Entschlackung und Reinigung des Körpers erzielen. Meine Ausgabe des Buches ist übrigens aus dem Jahr 1998, neuer als es der Text und die Techniken vermuten lassen, und beschreibt auch noch zahlreiche andere Praktiken.
Die erwähnten Methoden und Techniken der Naturheilkunde sind natürlich allesamt schulmedizinisch und naturwissenschaftlich in keiner Weise in ihrer Wirkung belegt, wie auch Homöopathie, Energetik oder andere „alternative“ Methoden. Ich selbst bin überzeugter Anhänger der (Natur)Wissenschaft und betrachte das alles nur aus Neugier und einer gewissen Faszination. Wer tiefer in das Buch und die Themen eintauchen will – es ist antiquarisch sicher noch zu finden:
Quelle Text und Bilder: Dr. med. Erich Rauch Blut-und Säftereinigung, Milde Ableitungskur 21. Auflage 1998, Verlag Haug ISBN 9783776016789
Bin eben von einer Ostsee-Rundreise zurück gekommen und habe viele Bilder mitgebracht. Die Tour führte uns von Hamburg über Wismar, Stralsund und Rügen bis nach Usedom und Swinemünde. Hier nun der vierte und letzte Teil mit Impressionen aus Hamburg, Wismar, Stralsund sowie
Nicht immer schmeckt Lopatka und seine ÖVP so gut:
Dieser Lopatka ist zwar aus Polen, aber dennoch Schwein, und damit auch tauglich für Österreich. Mahlzeit, auch wenn uns die anstehende EU-Wahl möglicherweise sauer aufstoßen wird. Ähnlich einer ganzen Portion Lopatka.
Mit dem Salz ist es so eine Sache. So essentiell für unsere Ernährung, dass es schon seit Jahrtausenden sehr gewinnbringend und über große Distanzen gehandelt wurde. Aber im Übermaß für unsere Gesundheit schädigend. Zuletzt laß man, dass das Nachsalzen von Mahlzeiten die Lebenszeit statistisch verkürzen soll. Diesem Zuviel, Zuwenig oder gerade Recht gilt es nachzuspüren.
Ich habe mich also auf eine Spur des Salzes begeben. Anlass war die Präsentation des Programmbuches der Europäischen Kulturhauptstadt-Region Bad Ischl Salzkammergut, die unter den selbstbewußten Titel „Kultur salzt Europa“ gestellt wurde. Ich habe mir das Buch schicken lassen und zu schmökern begonnen.
Bildquelle: Salzkammergut Tourismus
Ich hatte erst wenige Seiten durchgesehen, da hat sich mir bereits ein, zugegeben wenig schmeichelhafter, Vergleich aufgedrängt. Kennen Sie das Viertelfestival in Niederösterreich? Müssen Sie auch nicht, es handelt sich dabei um eine Initiative der Landesregierung zur Aktivierung lokaler/regionaler Kunst- und Kulturaktivitäten in den Städten und Dörfern. Der Provinz halt. Und das ist auch der Output, und denke ich auch der Anspruch, und für dieses Konzept ist das gut so.
Dennoch habe ich versucht, diesen Gedanken wieder aus dem Kopf zu bekommen, um offen und interessiert das Kulturangebot sondieren zu können. Ich habe also knapp 20 Themen aus dem 350 Seiten und gut 300 Events umfassenden Buch nach Interesse und Termin extrahiert und wir sind für ein paar Tage ins Salzkammergut aufgebrochen um einige davon anzusehen.
Erste Station: Gmunden Ausstellung „Academy Of Ceramics“ mit Werken von Kim Simonsson in der Gmundener Keramikfabrik. Versteckt im 2. Stock, spärlich beschildert, den Weg durch das Fabriksgebäude muss man erst finden und sich dann mit den zahreichen Besuchern der Werksführung teilen. Gezeigt werden Figuren aus Keramik, ausstaffiert mit Fund- und Versatzstücken und dann vollflächig grün beflockt.
Sehr ästhetisch und einnehmend an sich, die Figuren hätten das große Potential, wiedersprüchlich oder abgründig zu wirken. Geheimnisvolle Gnome, deren wahres Wesen, Aufgabe oder Alter nicht fassbar sind, die sogar ein bisschen bedrohlich sein könnten. Real zeigt die Ausstellung nach einem Blick in den Katalog eine Auftragsarbeit, bei der jede der Figuren für eine der 23 teilnehmenden Gemeinden zu stehen hat und dem entsprechend auch mit ländlich-provinziellen Elementen ausgestattet ist. Liebe Kinderfiguren, potentielle Enkelkinder in Lederhosen und mit Schaufeln, Pilzen und Blumen in den Händen. Von den Besuchern der Werksführung einhellig als „niedlich“ und „zum liebhaben“ bezeichnet – das sagt schon was über den künsterischen Impact.
Zweite Station: Gedenkort KZEbensee Schon bald nach dem Kriegsende wurde der Außenbereich des Konzentrationslagers, in dem während des Krieges in von Häftlingen ausgebrochenen vielen Kilometer langen Stollen Raketen- und Flugzeugteile gefertigt wurden, vollflächig mit einer Einfamilienhaussiedlung überbaut. Ein bisschen gruselig, durch samstäglich totenstill daliegende, biedere Einfamilienhäuser zum Friedhof und Erinnerungsort und dann weiter zu den Stollen zu fahren, in denen tausende Menschen ermordert wurden. Alles ist genau dort passiert, wo schon lange Häuser stehen. Abgesehen von der zweifelhaften emotionalen Wohnqualität wieder ein Hinweis auf den mangelnden Willen zur Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit und Verantwortichkeit Österreichs. Immerhin wurde 1997 ein kurzer Stollenabschnitt als Gedenkort zugänglich gemacht, dort ist nun auch eine Kunstinstallation („Wo sind wir jetzt?“ von Chiharu Shiota) zu sehen.
Eindrucksvoll und ebenso belastend ist der Besuch des Stollens, die Kunstinstallation empfinde ich dort eher als störend oder unpassend. Sie vermag es auch nicht einzufangen, zu groß ist die Last der Geschichte des Bauwerks. Wenn nur noch so wenig von der Wahrheit der Vergangenheit übrig ist, und auch nur zurückhalten gezeigt wird, dann sollte man das denke ich thematisch nicht noch zusätzlich überdecken.
Dritte Station: Bad Ischl Sudhaus – Kunst mit Salz und Wasser Im zentralen Ort der Kulturhauptstadtregion ist das die Hauptausstellung des Kunst- und Kulturprogrammes. Dem entsprechend war ich neugierig, ob bisherigen schwachen Erfahrungen kompensiert werden könnten. Doch das Drama nimmt seinen Lauf… Alleine das Sudhaus und den Eingang zu finden stellt sich als schwierig heraus, und Bad Ischl ist wahrlich nicht groß. Doch dann der rettende Hinweis:
Also wenn man etwas verstecken und ignorieren will, dann beschildert man das so. Wiederspiegelt offenbar auch den Wert, den die Stadt der Ausstellung und sicher auch dem gesamten Kulturhauptstadt-Projekt entgegenbringt. Drinnen echt schwache Werke auf insgesamt kleiner Fläche um 15 Euro. Zusammengestoppelte Installationen, nur eine einziges Werk hat mich einfangen können, die Salzlandschaft „Labyrinth“ von Motoi Yamamoto.
Vielleicht ist die Ausstellung auch nur irrtümlich in Bad Ischl gelandet?Labyrinth von Motoi YamamotoAbsichtliches Werk oder zufällig zurückgelassen? Gehört noch zu den besten Eindrücken…
Vierte Station: City Of Ceramics“ Gmunden Hier war ich auch neugierig, die Ausstellung sollte zeitgenössische Keramikarbeiten und im Außenbereich Installationen zeigen. Ort: Kunstquartier Stadtgarten. Unter diesem Namen nicht zu finden, selbst die Adresse wird von Google Maps nur wiederwillig angesteuert, wir wurden nur bis in die Nebenstraße geleitet. Ein Zeichen? Dann das Gittertor veschlossen und mit einem Fahradschloss (!) zusätzlich gesichert. Laut dort beschilderten Öffnungszeiten sollte offen sein, war aber nicht. Kein Hinweis oder Info, keine Entschuldigung. Nur Stille und niemand dort.
Ich möchte mir keine qualifizierte Kunstkritik anmaßen, ich beschreibe hier nur meine persönlichen und laienhaften Eindrücke. Und die waren allesamt nicht gut. Mutloses, provinzielles Programm, Anbiederung an Ländlichkeit und Tradition, kein merkbarer Stolz oder Bekenntnis zu dem Event, an keinem Ort, alles wurde mehr oder weniger versteckt. Dazu passt auch, dass laut Artikel im Profil kaum einer der 23 Bürgermeister der Partnergemeinden bei der Eröffnungsfeier anwesend war. Eine Eröffnungfeier, die nur wegen einer inklusiven Tanzperfomance nackter Menschen („Pudertanz“ von Choreographin Doris Uhlich) überhaupt besprochen wurde. Sonst herrschte Konventionelles vor.
Einige Pressezitate zur Ergänzung:
Profil vom 23.1.2024 Der ehemalige Bürgermeister von Bad Ischl Hannes Heide, der nunmehr für die SPÖ als Abgeordneter des Europaparlaments fungiert, war einer der treibenden Kräfte für die erfolgreiche Bewerbung des Salzkammerguts als Kulturhauptregion. „Gemmas o! Lassen wir uns darauf ein und versuchen wir, die Grenzen unseres eigenen Denkens zu überwinden“, mahnte er. (…) Schon nach der Eröffnung stellt sich die Frage, ob das durchaus engagiert erstellte Programm alle 23 Gemeinden ein Jahr lang zu kulturellen Höhenflügen bringen kann. Am vergangenen Sonntagabend, kurz nach der Eröffnung, fiel Bad Ischl wieder in die gewohnte Kleinstadt-Lethargie. Um 20 Uhr am Sonntag hatten kaum mehr Lokale geöffnet- sogar die traditionelle Café-Konditorei Zauner sperrte wie gewohnt früh zu, trotz der Anwesenheit von Besuchern aus dem In- und Ausland.
Die Presse vom 20.1.2024 Tagsüber hatte sich Bad Ischl bei buchstäblichem Kaiserwetter zunehmend gefüllt, zahlreiche Installationen, Konzerte und Lesungen wiesen als Vorboten auf die Eröffnungszeremonie am Abend hin, auch eine der Hauptausstellungen, „Kunst mit Salz und Wasser“ im Alten Sudhaus, wurde eröffnet. Das stärkste Interesse konzentrierte sich aber auf die Abendveranstaltung im Kurpark. Dort strömten vor Beginn die „Lichtmenschen“ durch den Park auf die Bühne und wanderten auf dieser umher, kurz erklang „Im Salzkammergut, da kann man gut lustig sein“. Die 23 in Lichtkleider der Künstlerin Isa Stein gewandten Gestalten stehen für die 23 Gemeinden, die an der Kulturhauptstadt beteiligt sind. Pünktlich um 17 Uhr starteten dann Blechbläser – die „Zamg“wirfelten„ unter Leonhard Paul – bevor Moderatorin Mercedes Echerer übernahm und eine Reihe von Politikern auf die Bühne holte.
Oberösterreischisches Volksblatt vom 30.1.2024 Nicht schlecht staunte die Ischler Jugendstadträtin, als sie kürzlich mit einer Schimpf-Tirade am Telefon konfrontiert wurde. „Mir wurde eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen unterlassenem Jugendschutz angedroht“, berichtet Steffi Reischmann, die für die Jugend-Agenden in der Ischler Stadtpolitik zuständig ist. Der Grund für den Anruf war die von vielen als skandalös empfundene Eröffnung-Aufführung des „Pudertanzes“. (…) Für den Ischler Vizebürgermeister Johannes Mathes von Zukunft Ischl, fügt sich die Anzeigendrohung nahtlos in die Reihe seiner Gespräche der vergangenen Tage ein: „Egal mit wem ich spreche – jeder übt scharfe Kritik an diesem Teil der Eröffnungsfeier“, so Mathes: „Und es werden immer dieselben Verantwortlichen genannt: 2024-Aufsichtsratchef Hannes Heide, Bürgermeisterin Ines Schiller und 2024-Intendantin Elisabeth Schweeger“. Für Mathes ist nun Schadensbegrenzung angesagt: „Bitte macht so etwas nie wieder mit unserem Ischl – das haben sich die Menschen unserer Stadt nicht verdient“, fordert Mathes ein radikales Umdenken bei den Programmmachern und Projekt-Verantwortlichen. (…) Mit dieser Direktheit hatte wohl nicht jeder gerechnet. Der Pfarrer Christian Öhler der Stadtpfarrkirche Bad Ischl, der die Eröffnung live übertragen ließ, nahm es jedoch gelassen, als Kirchgänger beim Anblick der Nackten auf der Leinwand das Gotteshaus verließen. Jesus sei einer der „am häufigsten nackt dargestellten Menschen der Kunstgeschichte“, zitierten ihn die „OÖN“.
Was bleibt also von der Reise? Auch wenn ich vom Angebot der Kulturhauptstadtregion tatsächlich enttäuscht war, bleiben dennoch positive Eindrücke:
Schöne Landschaft, Ausblick vom GrünbergTraunfallLecker SteckerlfischGute ArchitekturSchönes HotelzimmerBisschen jugendliches Rebellentum
Quellen: Bilder wenn nicht anders erwähnt vom Autor