Mit dem Salz ist es so eine Sache. So essentiell für unsere Ernährung, dass es schon seit Jahrtausenden sehr gewinnbringend und über große Distanzen gehandelt wurde. Aber im Übermaß für unsere Gesundheit schädigend. Zuletzt laß man, dass das Nachsalzen von Mahlzeiten die Lebenszeit statistisch verkürzen soll. Diesem Zuviel, Zuwenig oder gerade Recht gilt es nachzuspüren.
Ich habe mich also auf eine Spur des Salzes begeben. Anlass war die Präsentation des Programmbuches der Europäischen Kulturhauptstadt-Region Bad Ischl Salzkammergut, die unter den selbstbewußten Titel „Kultur salzt Europa“ gestellt wurde. Ich habe mir das Buch schicken lassen und zu schmökern begonnen.

Ich hatte erst wenige Seiten durchgesehen, da hat sich mir bereits ein, zugegeben wenig schmeichelhafter, Vergleich aufgedrängt. Kennen Sie das Viertelfestival in Niederösterreich? Müssen Sie auch nicht, es handelt sich dabei um eine Initiative der Landesregierung zur Aktivierung lokaler/regionaler Kunst- und Kulturaktivitäten in den Städten und Dörfern. Der Provinz halt. Und das ist auch der Output, und denke ich auch der Anspruch, und für dieses Konzept ist das gut so.
Dennoch habe ich versucht, diesen Gedanken wieder aus dem Kopf zu bekommen, um offen und interessiert das Kulturangebot sondieren zu können. Ich habe also knapp 20 Themen aus dem 350 Seiten und gut 300 Events umfassenden Buch nach Interesse und Termin extrahiert und wir sind für ein paar Tage ins Salzkammergut aufgebrochen um einige davon anzusehen.
Erste Station: Gmunden
Ausstellung „Academy Of Ceramics“ mit Werken von Kim Simonsson in der Gmundener Keramikfabrik. Versteckt im 2. Stock, spärlich beschildert, den Weg durch das Fabriksgebäude muss man erst finden und sich dann mit den zahreichen Besuchern der Werksführung teilen. Gezeigt werden Figuren aus Keramik, ausstaffiert mit Fund- und Versatzstücken und dann vollflächig grün beflockt.

Sehr ästhetisch und einnehmend an sich, die Figuren hätten das große Potential, wiedersprüchlich oder abgründig zu wirken. Geheimnisvolle Gnome, deren wahres Wesen, Aufgabe oder Alter nicht fassbar sind, die sogar ein bisschen bedrohlich sein könnten.
Real zeigt die Ausstellung nach einem Blick in den Katalog eine Auftragsarbeit, bei der jede der Figuren für eine der 23 teilnehmenden Gemeinden zu stehen hat und dem entsprechend auch mit ländlich-provinziellen Elementen ausgestattet ist. Liebe Kinderfiguren, potentielle Enkelkinder in Lederhosen und mit Schaufeln, Pilzen und Blumen in den Händen. Von den Besuchern der Werksführung einhellig als „niedlich“ und „zum liebhaben“ bezeichnet – das sagt schon was über den künsterischen Impact.
Zweite Station: Gedenkort KZ Ebensee
Schon bald nach dem Kriegsende wurde der Außenbereich des Konzentrationslagers, in dem während des Krieges in von Häftlingen ausgebrochenen vielen Kilometer langen Stollen Raketen- und Flugzeugteile gefertigt wurden, vollflächig mit einer Einfamilienhaussiedlung überbaut. Ein bisschen gruselig, durch samstäglich totenstill daliegende, biedere Einfamilienhäuser zum Friedhof und Erinnerungsort und dann weiter zu den Stollen zu fahren, in denen tausende Menschen ermordert wurden. Alles ist genau dort passiert, wo schon lange Häuser stehen. Abgesehen von der zweifelhaften emotionalen Wohnqualität wieder ein Hinweis auf den mangelnden Willen zur Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit und Verantwortichkeit Österreichs. Immerhin wurde 1997 ein kurzer Stollenabschnitt als Gedenkort zugänglich gemacht, dort ist nun auch eine Kunstinstallation („Wo sind wir jetzt?“ von Chiharu Shiota) zu sehen.

Eindrucksvoll und ebenso belastend ist der Besuch des Stollens, die Kunstinstallation empfinde ich dort eher als störend oder unpassend. Sie vermag es auch nicht einzufangen, zu groß ist die Last der Geschichte des Bauwerks. Wenn nur noch so wenig von der Wahrheit der Vergangenheit übrig ist, und auch nur zurückhalten gezeigt wird, dann sollte man das denke ich thematisch nicht noch zusätzlich überdecken.
Dritte Station: Bad Ischl Sudhaus – Kunst mit Salz und Wasser
Im zentralen Ort der Kulturhauptstadtregion ist das die Hauptausstellung des Kunst- und Kulturprogrammes. Dem entsprechend war ich neugierig, ob bisherigen schwachen Erfahrungen kompensiert werden könnten. Doch das Drama nimmt seinen Lauf… Alleine das Sudhaus und den Eingang zu finden stellt sich als schwierig heraus, und Bad Ischl ist wahrlich nicht groß. Doch dann der rettende Hinweis:

Also wenn man etwas verstecken und ignorieren will, dann beschildert man das so. Wiederspiegelt offenbar auch den Wert, den die Stadt der Ausstellung und sicher auch dem gesamten Kulturhauptstadt-Projekt entgegenbringt. Drinnen echt schwache Werke auf insgesamt kleiner Fläche um 15 Euro. Zusammengestoppelte Installationen, nur eine einziges Werk hat mich einfangen können, die Salzlandschaft „Labyrinth“ von Motoi Yamamoto.



Vierte Station: City Of Ceramics“ Gmunden
Hier war ich auch neugierig, die Ausstellung sollte zeitgenössische Keramikarbeiten und im Außenbereich Installationen zeigen. Ort: Kunstquartier Stadtgarten. Unter diesem Namen nicht zu finden, selbst die Adresse wird von Google Maps nur wiederwillig angesteuert, wir wurden nur bis in die Nebenstraße geleitet. Ein Zeichen?
Dann das Gittertor veschlossen und mit einem Fahradschloss (!) zusätzlich gesichert. Laut dort beschilderten Öffnungszeiten sollte offen sein, war aber nicht. Kein Hinweis oder Info, keine Entschuldigung. Nur Stille und niemand dort.
Ich möchte mir keine qualifizierte Kunstkritik anmaßen, ich beschreibe hier nur meine persönlichen und laienhaften Eindrücke. Und die waren allesamt nicht gut. Mutloses, provinzielles Programm, Anbiederung an Ländlichkeit und Tradition, kein merkbarer Stolz oder Bekenntnis zu dem Event, an keinem Ort, alles wurde mehr oder weniger versteckt. Dazu passt auch, dass laut Artikel im Profil kaum einer der 23 Bürgermeister der Partnergemeinden bei der Eröffnungsfeier anwesend war. Eine Eröffnungfeier, die nur wegen einer inklusiven Tanzperfomance nackter Menschen („Pudertanz“ von Choreographin Doris Uhlich) überhaupt besprochen wurde. Sonst herrschte Konventionelles vor.
Einige Pressezitate zur Ergänzung:
Profil vom 23.1.2024
Der ehemalige Bürgermeister von Bad Ischl Hannes Heide, der nunmehr für die SPÖ als Abgeordneter des Europaparlaments fungiert, war einer der treibenden Kräfte für die erfolgreiche Bewerbung des Salzkammerguts als Kulturhauptregion. „Gemmas o! Lassen wir uns darauf ein und versuchen wir, die Grenzen unseres eigenen Denkens zu überwinden“, mahnte er.
(…)
Schon nach der Eröffnung stellt sich die Frage, ob das durchaus engagiert erstellte Programm alle 23 Gemeinden ein Jahr lang zu kulturellen Höhenflügen bringen kann. Am vergangenen Sonntagabend, kurz nach der Eröffnung, fiel Bad Ischl wieder in die gewohnte Kleinstadt-Lethargie. Um 20 Uhr am Sonntag hatten kaum mehr Lokale geöffnet- sogar die traditionelle Café-Konditorei Zauner sperrte wie gewohnt früh zu, trotz der Anwesenheit von Besuchern aus dem In- und Ausland.
Die Presse vom 20.1.2024
Tagsüber hatte sich Bad Ischl bei buchstäblichem Kaiserwetter zunehmend gefüllt, zahlreiche Installationen, Konzerte und Lesungen wiesen als Vorboten auf die Eröffnungszeremonie am Abend hin, auch eine der Hauptausstellungen, „Kunst mit Salz und Wasser“ im Alten Sudhaus, wurde eröffnet. Das stärkste Interesse konzentrierte sich aber auf die Abendveranstaltung im Kurpark. Dort strömten vor Beginn die „Lichtmenschen“ durch den Park auf die Bühne und wanderten auf dieser umher, kurz erklang „Im Salzkammergut, da kann man gut lustig sein“. Die 23 in Lichtkleider der Künstlerin Isa Stein gewandten Gestalten stehen für die 23 Gemeinden, die an der Kulturhauptstadt beteiligt sind. Pünktlich um 17 Uhr starteten dann Blechbläser – die „Zamg“wirfelten„ unter Leonhard Paul – bevor Moderatorin Mercedes Echerer übernahm und eine Reihe von Politikern auf die Bühne holte.
Oberösterreischisches Volksblatt vom 30.1.2024
Nicht schlecht staunte die Ischler Jugendstadträtin, als sie kürzlich mit einer Schimpf-Tirade am Telefon konfrontiert wurde. „Mir wurde eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen unterlassenem Jugendschutz angedroht“, berichtet Steffi Reischmann, die für die Jugend-Agenden in der Ischler Stadtpolitik zuständig ist. Der Grund für den Anruf war die von vielen als skandalös empfundene Eröffnung-Aufführung des „Pudertanzes“.
(…)
Für den Ischler Vizebürgermeister Johannes Mathes von Zukunft Ischl, fügt sich die Anzeigendrohung nahtlos in die Reihe seiner Gespräche der vergangenen Tage ein: „Egal mit wem ich spreche – jeder übt scharfe Kritik an diesem Teil der Eröffnungsfeier“, so Mathes: „Und es werden immer dieselben Verantwortlichen genannt: 2024-Aufsichtsratchef Hannes Heide, Bürgermeisterin Ines Schiller und 2024-Intendantin Elisabeth Schweeger“. Für Mathes ist nun Schadensbegrenzung angesagt: „Bitte macht so etwas nie wieder mit unserem Ischl – das haben sich die Menschen unserer Stadt nicht verdient“, fordert Mathes ein radikales Umdenken bei den Programmmachern und Projekt-Verantwortlichen.
(…)
Mit dieser Direktheit hatte wohl nicht jeder gerechnet. Der Pfarrer Christian Öhler der Stadtpfarrkirche Bad Ischl, der die Eröffnung live übertragen ließ, nahm es jedoch gelassen, als Kirchgänger beim Anblick der Nackten auf der Leinwand das Gotteshaus verließen. Jesus sei einer der „am häufigsten nackt dargestellten Menschen der Kunstgeschichte“, zitierten ihn die „OÖN“.
Was bleibt also von der Reise?
Auch wenn ich vom Angebot der Kulturhauptstadtregion tatsächlich enttäuscht war, bleiben dennoch positive Eindrücke:






Quellen:
Bilder wenn nicht anders erwähnt vom Autor
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